Brief an Mario Fehr: Trötzle und töibele

Nr. 25 –

Sehr geehrter Herr Fehr

Das Schweizerdeutsch kennt zwei wundervolle Wörter, um das Verhalten von aufgebrachten Kleinkindern zu beschreiben: trötzle und töibele. Es sind die zwei Wörter, die mir als erste in den Sinn kommen, wenn ich an Sie und Ihre politische Karriere bei der Zürcher SP denke, der Sie mit dem Parteiaustritt am vergangenen Freitag eine jähe Wendung gegeben haben.

Was haben Sie nicht getöibelt, nachdem Ihnen so ein Flegel im Stadion ein Bier über den Kopf geschüttet hatte. Wie einen Raubmord liessen Sie den Zwischenfall von der Polizei untersuchen. Und als bekannt wurde, dass Ihre Kantonspolizei ohne gesetzliche Grundlage Überwachungssoftware angeschafft hatte, woraufhin die Juso eine Strafanzeige gegen Sie einreichte, sistierten Sie trötzelnd Ihre SP-Mitgliedschaft, bis die Strafanzeige fallen gelassen wurde.

Und doch soll Ihr kindliches Gebaren nicht darüber hinwegtäuschen, dass Sie politisch vor allem ein rechter Hardliner ohne Moralkompass sind, ein Fan der Lagerpolitik, ein Vertreter harter Ausschaffungspraxis.

Als 2020 zwei abgewiesene Asylbewerber in Zürich aus einem Fenster stürzten, reagierte Ihre Direktion so menschenverachtend, dass die Juso Ihren Rücktritt forderte.

Das alles floss an Ihnen ab wie eine lauwarme Bierdusche. «Ich bin ja als Regierungspräsident der demokratisch gewählte König des Kantons Zürich», verkündeten Sie, als Sie beim Sechseläuten mitreiten durften. Bis AktivistInnen mit Flyern und Plakaten ankamen und den Anlass störten.

So blieb es bis zum Schluss Ihrer SP-Mitgliedschaft die Aufgabe von AktivistInnen, Ihre Politik unermüdlich anzuprangern. Denn Sie sind nicht nur ein narzisstischer Selbstdarsteller, sondern waren auch Mitglied einer rückgratlosen Partei, die lieber einen Exekutivplatz verteidigte als ihre vermeintlichen Grundwerte.

Für die SP hat sich das Problem nun von allein gelöst. Ihnen wurden die Spannungen zu viel, die Partei sei zu weit nach links gerutscht, liessen Sie an einer Pressekonferenz verlauten. Ob diese Wahrnehmung der Realität entspricht, bleibt zu beweisen.

Freundliche Grüsse, Natalia Widla