Wahlen in Armenien: «Stählernes Mandat» gegen «Samtene Revolution»

Nr. 25 –

Suren Sahakjan verbrachte die vergangene Sonntagnacht auf einer Polizeistation in der armenischen Hauptstadt Eriwan. Der Spitzenkandidat der sozialdemokratischen Partei «Bürgerentscheid» war zuvor während einer Auseinandersetzung in einem Wahllokal festgenommen worden. Als Sahakjan frühmorgens aus der Polizeistation trat, musste er enttäuscht feststellen, dass seine Partei nur gerade 0,3 Prozent der Stimmen erhalten hatte (2018 waren es 0,68 Prozent).

Insgesamt hatten sich 26 Parteien und Bündnisse um Mandate in der Nationalversammlung beworben. Nur drei politische Kräfte werden nun dort einziehen. Der grosse Wahlsieger heisst Nikol Paschinjan: der Politiker, der 2018 die «Samtene Revolution» anführte und die damalige Regierung stürzte, im letzten November allerdings auch den Krieg gegen Aserbaidschan um Bergkarabach verlor. Nun wird Paschinjan weiterhin allein die neue Regierung bilden. Seine Partei, «Zivilvertrag», erhielt rund 54 Prozent der Stimmen.

Als Hauptgegner Nikol Paschinjans erweist sich Robert Kotscharjan, der von 1998 bis 2008 zweiter Präsident Armeniens war. Kotscharjan verspricht ein «starkes Armenien mit Russland an seiner Seite». Sein Bündnis «Armenien» liegt mit rund 21 Prozent der Stimmen an zweiter Stelle. Als dritte Kraft – mit knapp über fünf Prozent der Stimmen – kann das Bündnis «Ich habe Ehre» des ehemaligen Präsidenten Sersch Sargsjan und des ehemaligen Geheimdienstchefs Artur Vanetsjan ins Parlament einziehen. Angesichts dieses Wahlergebnisses werden weiterhin Rachegelüste und Hass Armeniens Politik beherrschen.

Diesen Montag kamen Tausende zum Republikplatz im Zentrum Eriwans, um den Sieg von Nikol Paschinjan zu feiern. «Es soll eine feierliche Kundgebung zur Übergabe des ‹stählernen Mandats› sein», sagte dieser. Dieses «stählerne Mandat» soll nach seinem Willen an die Stelle der «Samtenen Revolution» treten – und ihm gestatten, Armenien mit harter Hand zu regieren.