Rise Up for Change: «Wo das Geld ist, sitzt die Macht»

Nr. 31 –

Im Rahmen ihrer Aktionswoche knöpft sich die Klimabewegung die Banken vor und fordert deren Ausstieg aus Investitionen in fossile Energien. Die WOZ war mit den AktivistInnen unterwegs.

«Der Finanzplatz ist der grösste Hebel, den wir klimapolitisch haben»: Klimastreikende vor der UBS in Zürich. FOTO: CLIMATESTRIKE SWITZERLAND

In seiner Rede zum Nationalfeiertag beschwor Guy Parmelin den Zusammenhalt. Der Bundespräsident sprach von der vereinten Schweiz, von der Solidarität und vom Stolz, den er empfinde: «Wir stehen unseren Nächsten unter allen Umständen bei, so wie wir es während der Pandemie und während der Unwetterperiode getan haben.» Er bewundere, sagte er, wie die Bevölkerung Krisen gemeinsam bewältige. Was der Bundespräsident unerwähnt liess: Auf jede Rede folgt eine Realität. Und auf jeden 1. August eine Nacht zum 2. August.

In der Morgenröte strömen in der grössten Stadt der Schweiz rund 200 Menschen in Richtung Zentrum. Ihr Ziel: der Paradeplatz. Ihre Vision: Gerechtigkeit. Sie betreten den Platz, legen ihre Körper in Kostüme und Ketten, befestigen sie an Fässern und an Fahrrädern. «Der Finanzplatz ist der grösste Hebel, den wir klimapolitisch haben», erklärt Frida Kohlmann, Mediensprecherin von Rise up for Change. «Wo das Geld ist, sitzt die Macht.» Und wer Geschichten über Geld und seine Macht erzählen will, muss auf den Paradeplatz.

Rund ein Viertel des grenzüberschreitenden Vermögens der Welt wird gemäss Aussendepartement in der Schweiz verwaltet. Eine Studie der Klimaallianz kommt angesichts dessen zum Schluss, dass der Finanzplatz rund ein Zwanzigfaches der einheimischen Direktemissionen verantwortet. Und das Bundesamt für Umwelt geht davon aus, dass der einheimische Finanzmarkt einen globalen Temperaturanstieg von 4 bis 6 Grad unterstützt. Gegenüber der Nachrichtenagentur SDA sagen AktivistInnen: «Der Schweizer Finanzplatz ist für zwei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich.»

Einen Tag später wird der Paradeplatz aber auch eine andere Geschichte erzählt haben. Eine von Festnahmen und von Wasserwerfern, von Recht und von Gerechtigkeit.

83 Verhaftete, eine Krise

Jelena, die eigentlich anders heisst, hat eine lange Nacht hinter sich. «Meine Aufgabe war es, eine Gruppe an den Ort des Geschehens zu führen», erzählt sie der WOZ auf einer Brache in Zürich, wo die Klimabewegung für eine Woche ein Camp aufgestellt hat. Im Hintergrund trällert Manu Chao aus einer Box etwas über einen Garten, Kartoffeln werden geschnippelt. Jelena spricht von den Menschen, die im Globalen Süden bereits heute wegen der Klimakrise sterben würden, und von der Verantwortung, die der Norden dafür trage. «Ich kann nicht in Ruhe schlafen, wenn ich nicht zumindest versuche, etwas zu verändern», sagt sie. Am Morgen des 2. August sitzt sie auf dem Paradeplatz. Vor ihr ein Transparent mit der Aufschrift «DeCO2lonize Credit Suisse, UBS and SNB», hinter ihr der Eingang der Hauptfiliale der zweitgrössten Bank der Schweiz, der Credit Suisse.

Was passiert, wenn BankerInnen auf BesetzerInnen treffen? Mediensprecherin Frida Kohlmann erzählt von einer Begegnung: «Ein Anlageberater der Credit Suisse fand es lustig, dass er nicht zur Arbeit kann – seine KollegInnen habe er bereits informiert, dass sie sich nicht beeilen müssten. Doch inhaltlich war wenig Neues dabei: China müsse den Anfang machen, und sowieso stehe die Credit Suisse nicht schlecht da. Er erzählte von einer Wiese mit Tieren, die es neben dem CS-Gebäude am Üetlihof gebe.» Trotz aller netten Gesten: Der Paradeplatz wird geräumt. Die Polizei nimmt 83 Menschen fest, behält einige über Nacht in Gewahrsam. Die Kriminellen, sagt einer der AktivistInnen, seien nicht die Verhafteten. Die Kriminellen, das seien die Banken.

Am Abend ziehen die BesetzerInnen erneut von der Brache in die Innenstadt. Noch immer sind eine Handvoll AktivistInnen inhaftiert. Sie wollen den Verhafteten zeigen: Wir sind bei euch. Irgendwo in der Menge steht Jelena mit einem Megafon. «What do we want?», ruft sie. «Climate Justice», antwortet die Menge. «When do we want it?» – «Now!» – «When?» – «Now!» – «When?» – «Now!». An diesem 2. August habe sie gelernt, dass sie mehr könne, als sie sich selbst oft zutraue. Nur wenige Kilometer entfernt fährt die Polizei auf dem Paradeplatz einen Wasserwerfer auf.

Und die Grossbanken? «Wir äussern uns nicht», äussert sich die UBS. Und die Credit Suisse kommentiert: «Wir kommentieren die Aktion nicht.» Doch, so betonen beide, Klimaschutz sei auch ihnen wichtig. Die UBS sagt, sie wolle die Treibhausgasemissionen über das gesamte Geschäft hinweg bis 2050 auf netto null senken. Und auch die Credit Suisse lässt verlauten, sie setze sich für das Erreichen der Ziele des Pariser Klimaabkommens ein.

Im Winter haben das Bundesamt für Umwelt und das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen den sogenannten Klimaverträglichkeitstest veröffentlicht. Der Bericht zeige «repräsentativ» auf, wie klimaneutral der Schweizer Finanzplatz agiere. Die Ergebnisse: ernüchternd. Schweizer Banken und Pensionskassen investieren viermal so viel in Firmen, die Strom aus Kohle und Gas erzeugen, wie in Produzenten von erneuerbarem Strom. Sie würden dadurch gar in den weiteren Ausbau der Kohle- und Erdölförderung investieren. Fast zeitgleich veröffentlichte die Klimabewegung ein eigenes Finanzplatzrating. Sie vergibt Schulnoten. Credit Suisse: 2. UBS: 1,5.

Öl ins Feuer

Noch immer sei die Credit Suisse beispielsweise die wichtigste Geldgeberin für Duke Energy, den grössten Betreiber von Kohlekraftwerken in den USA. «Es bringt nichts, in einem brennenden Haus ein paar Pflanzen zu pflanzen, wenn man gleichzeitig Öl ins Feuer schüttet», sagt eine Aktivistin am 2. August. Und Mediensprecherin Frida Kohlmann ergänzt: «Überlässt man Klimaschutz Unternehmen, deren Ziel es ist, Profit zu machen, wird nichts passieren.» Es sei eine Sache der Logik: Es brauche Druck und staatliche Regulierungen.

Am Freitag werden sich die AktivistInnen von Rise up for Change vor der Nationalbank in Bern versammeln. Dem Klimaverträglichkeitstest des Bundes hat sich die Nationalbank im Gegensatz zu UBS und Credit Suisse komplett verweigert. Gemäss NGOs finanziert deren Aktienportfolio einen CO2-Ausstoss, der fast so hoch ist wie jener in der Schweiz. «Das ist, was mit unserem Geld passiert», sagt eine Aktivistin einen Tag nach Guy Parmelins Rede zur Solidarität in der Krise. Als Ort für seine Ansprache wählte der Bundespräsident ausgerechnet das Gletscherskigebiet Glacier 3000.

Es waren nicht die Jungen

Am 13. Juni lehnten 52 Prozent das CO2-Gesetz ab. Angesichts der breit abgestützten Vorlage war die Überraschung gross. In einer ersten Befragung kam Tamedia zum Schluss, dass in erster Linie die Jungen für die Ablehnung verantwortlich seien. Nun zeigt die Nachwahlbefragung Vox, durchgeführt vom Forschungsinstitut GfS Bern: Das ist falsch. Laut der Befragung unterstützten 62 Prozent der 18- bis 29-Jährigen das CO2-Gesetz, bei den 30- bis 39-Jährigen waren es 58 Prozent.