Sozialhilfe: Schneggs mieser Feldzug gegen die Armen

Nr. 31 –

Der Berner Regierungsrat Pierre Alain Schnegg (SVP) will vor Gericht die Kürzung der Sozialhilfe für eine fünfköpfige Familie erstreiten. Wie «Der Bund» berichtete, hat Schnegg trotz eigenem Rechtsdienst den SVP-Anwalt Patrick Freudiger damit beauftragt. Das Verwaltungsgericht will nun zunächst prüfen, ob die Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion des Kantons Bern, der Schnegg vorsteht, überhaupt beschwerdeberechtigt ist.

Es ist die gefühlt 50. Episode von Pierre Alain Schneggs jahrelangem Kampf gegen die Armen. Seit 2019 die Kürzung des Grundbedarfs in der Sozialhilfe von der Berner Stimmbevölkerung abgelehnt wurde, politisiert er damit bewusst gegen deren Willen. Das Abstimmungsergebnis war eine Niederlage für den Regierungsrat, die dieser nicht akzeptiert: Ein Jahr später versuchte er mit einer Verordnung über die Sozialhilfe im Asyl- und Flüchtlingsbereich erneut, den Grundbedarf zu kürzen – dieses Mal nur für vorläufig Aufgenommene.

Im Oktober 2020 verfügte der Sozialdienst der Stadt Bern basierend auf dieser Verordnung Sozialhilfekürzungen für eine Familie von fünf vorläufig aufgenommenen Personen, die künftig mit einem Grundbedarf von insgesamt 1648 Franken überleben sollen. Die Betroffenen reichten mit Unterstützung des Berufsverbands für Soziale Arbeit, Avenir Social, Beschwerde gegen die Verfügung ein. Im Mai dieses Jahres gab das Regierungsstatthalteramt Bern-Mittelland der Familie recht. In seinem Entscheid äussert es sich nicht nur zum konkreten Fall. Das Amt kommt zum Schluss, dass die in der Sozialhilfeverordnung enthaltenen Massnahmen gegen verfassungsrechtliche Prinzipien wie die Rechtsgleichheit und gegen das kantonale Sozialhilfegesetz verstossen.

«Dieser Entscheid hat wegweisenden Charakter», sagt Anwalt Willi Egloff, der die betroffene Familie vertritt. Diesen versuchen Schnegg und Freudiger nun aber umzustossen. Doch Willi Egloff ist zuversichtlich: Er hat zwei weitere Beschwerdefälle gegen Grundbedarfskürzungen betreut, die ebenfalls gutgeheissen wurden – und die Schneggs Direktion nicht angefochten hat. Es scheint, als drohe dem SVP-Regierungsrat eine weitere Niederlage.