Neues Gesetz in Texas: Mit Spitzeln gegen Abtreibungen

Nr. 36 –

Am 1. September trat in Texas das schärfste Abtreibungsgesetz der USA in Kraft: Der auch als «Herzschlaggesetz» bezeichnete Paragraf verbietet alle Abtreibungen ab der sechsten Schwangerschaftswoche – zu einem Zeitpunkt also, zu dem sich die allermeisten Frauen ihrer Schwangerschaft noch nicht einmal bewusst sind.

Für internationale Aufmerksamkeit sorgte dabei nicht nur das frauenverachtende Gesetz als solches, sondern auch, wie es zustande kam. Denn der Paragraf steht im Widerspruch zur Verfassung: Anfang der siebziger Jahre entschied der Oberste Gerichtshof im Präzedenzfall «Roe v. Wade», dass das Recht auf Abtreibung unter das Recht auf Privatsphäre fällt und eine Abtreibung bis zur 24. Schwangerschaftswoche grundsätzlich erlaubt ist.

Zahlreiche Bundesstaaten haben seitdem unermüdlich versucht, Abtreibungen wieder zu einem viel früheren Zeitpunkt zu verbieten – sie scheiterten aber an «Roe v. Wade». Das texanische Gesetz hat sich nun jedoch eines Kniffs bedient: Nicht etwa der Staat soll das Abtreibungsverbot ab der sechsten Schwangerschaftswoche durchsetzen, sondern die Bevölkerung. Mit dem neuen Gesetz sind BürgerInnen befugt, eine Zivilklage einzureichen, wenn sie ZeugInnen einer Abtreibung oder eines Abtreibungsversuchs werden. Einklagbar sind dabei alle involvierten Personen – die Ärztin genauso wie der Taxifahrer. Und besonders perfide: Alle KlägerInnen werden vom Staat mit 10 000 US-Dollar belohnt – für allfällige Anwaltskosten.

Dass Betroffene dennoch juristisch nicht ganz wehrlos sind, zeigte sich bereits wenige Stunden nach Inkrafttreten des Gesetzes: So erreichte die Pro-Choice-Organisation Planned Parenthood eine einstweilige Verfügung gegen Texas Right to Life. Der Antiabtreibungsorganisation und deren AnhängerInnen ist es nun vorerst untersagt, zivilrechtliche Klagen im Sinne des geplanten Paragrafen einzureichen – sie hatten dafür bereits eine Website eingerichtet, auf der Personen, die womöglich nach dem neuen Gesetz abgetrieben haben, öffentlich denunziert werden können.