Auf allen Kanälen: Springers Sperrfeuer

Nr. 38 –

Bild TV, der neue Fernsehsender des Springer-Konzerns, versucht verzweifelt, Ängste vor einem Linksrutsch in Deutschland zu schüren. Roger Köppel hilft mit.

Roger Köppel

Wäre die Unruhe Konservativer ein Gradmesser für die Qualität bevorstehender Veränderungen, müsste Deutschland eine strahlende Zukunft bevorstehen. Seit CDU/CSU in den Umfragen zur Bundestagswahl abgestürzt sind, herrscht rechts der Mitte Panik. Die Unionsparteien bemühen seit Wochen eine «Rote-Socken»-Kampagne, als drohte ausgerechnet unter dem eingemitteten Sozialdemokraten Olaf Scholz der Sozialismus. Derweil besorgen rechte Medien wie die Titel des Springer-Konzerns das publizistische Begleitfeuer.

Besonders tut sich dabei die «Bild»-Zeitung hervor, mit einer verkauften Auflage von über einer Million Exemplaren immer noch die meistgelesene Tageszeitung Deutschlands. Zwar hat das Boulevardblatt in den vergangenen zwei Jahrzehnten enorme Einbrüche verzeichnet. Dafür hat die «Bild» mehr als eine halbe Million AbonnentInnen für ihr digitales Angebot gewonnen. Zudem startete Springer Ende August den linearen Fernsehsender Bild TV, der neben Promi- und Bundesliga-News auch über Politik berichtet. Überraschend daran ist weniger, dass die politische Berichterstattung dort tendenziös ist. Überraschend ist, in welchem Masse sie es ist.

Etwa im Talk «Viertel nach acht», dem politischen Flaggschiff von Bild TV. Vergangene Woche sass dort eine Unternehmerin und trug, untermalt von dramatischer Musik, einen zweiminütigen Monolog vor. Demzufolge drohe Deutschland «eine riesige Gefahr für Investitionen und Arbeitsplätze», sollten nicht doch noch CDU und FDP die Wahl gewinnen. Widerspruch aus der Runde gab es nicht. Stattdessen bezeichnete der «Bild»-Politikchef bei anderer Gelegenheit Janine Wissler von der Linken als «extremistische Führerin».

Verstärkung aus der Schweiz

Offenkundig gilt bei Bild TV als gesetzt, dass alles andere als ein konservativer Kanzler eine Katastrophe fürs Land wäre. Besonders perfide ist das deswegen, weil sich das Medium explizit an werktätige Menschen richtet. Ein «Bild»-Werbespot auf Youtube zeigt zu dem Slogan «Für Euch» Aufnahmen von Bauarbeitern, Sanitätern oder Briefträgerinnen. Genau diese soziale Klasse versucht «Bild», gegen deren eigene Interessen zu mobilisieren.

Zu diesem Zweck hat man sich Verstärkung aus der Schweiz geholt. Zu den Stammgästen bei Bild TV gehört Roger Köppel. Der Medienunternehmer («Weltwoche») und SVP-Nationalrat ist zwei- bis dreimal die Woche im Livetalk des Senders zu sehen, wo er unter anderem neben dem Showmaster Thomas Gottschalk («Wetten, dass …?») sitzt, der inzwischen offenbar so abgestumpft ist, dass er sich für alles hergibt.

Objektiv nur zum Schein

Köppels Rolle ist dabei die des informierten «Beobachters» bundesrepublikanischer Verhältnisse, in die er in deutschen Talkshows schon häufig geschlüpft ist. So verleiht er der Agenda von «Bild» den Schein von Objektivität. Dabei übt sich Köppel mal als Märchenonkel, der vor explodierenden Immobilienpreisen in der Schweiz warnt, weil angeblich viele deutsche Unternehmer derzeit Fluchtabsichten hegten. Mal mahnt er an, dass die Rechte nicht weiterhin «kriminalisiert» werden dürfe, oder er geisselt den «feministischen Wahnsinn».

Besonders heftig attackierte der SVP-Politiker Jan Böhmermann. Den von «Zwangsgebühren» finanzierten ZDF-Satiriker verunglimpfte Köppel als «linken Meinungseinpeitscher». Die Strategie, öffentlich-rechtliche Medien zu diskreditieren, spielt einem Konzern wie Springer natürlich in die Karten. Sie gehört aber auch zum festen Repertoire rechtspopulistischer Parteien. Überhaupt lässt sich beim Springer-Blatt eine grosse Nähe zu Rechtsaussenpositionen ausmachen, seit Julian Reichelt dort Chefredaktor ist. So tut sich die «Bild» auch mit einer Coronaberichterstattung hervor, von der sich «QuerdenkerInnen» nur bestätigt fühlen können – auch wenn das Blatt vor einem offenen Schulterschluss zurückschreckt.

Schon 2018 bezeichnete Michael Spreng die «Bild» unter Reichelt als «Vorfeldorganisation der AfD». Spreng selbst war früher Chef der «Bild am Sonntag» gewesen, 2002 beriet er den damaligen CSU-Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber. Als linker «Einpeitscher» kann er sicher nicht gelten. Abgesehen davon reichen drei Minuten Köppel auf Bild TV, um zum selben Schluss wie der frühere Springer-Mann zu kommen.