Wichtig zu wissen: Triage, Triell, Tell

Nr. 38 –

Ruedi Widmer zu den TrychlerInnen und den KanzlerInnen

Zum Bundeshausangriff der CoronarebellInnen vom 16. September: Leute, die sich erst seit einigen Wochen für Politik interessieren, erkennt man daran, dass sie meinen, sofort die Regierung übernehmen zu müssen.

Die Pandemie ist ja von geheimen Kreisen und den Regierungen gewollt, hört man. Auch wir Schlafschafe sind natürlich gewollt. Schafe sind überhaupt gewollt.

In Winterthur marschierten am Samstag die FreiheitstrychlerInnen (es gibt tatsächlich Trychlerinnen – im Gegensatz zu Talibaninnen). Neben ihnen die Rimoldijugend, dahinter energisch schreitende Senioren mit vielen Schweizerfähnchen in ihren Rucksäcken, verkleidete Helvetien und Wilhelmtellen, die Intellektuellen der Bewegung. Die einzige stattfindende Fasnacht ohne Masken.

Bei Nicolas A. Rimoldi fasziniert mich übrigens weniger sein Jesusface als das Mittelinitial, meist ein Zeichen tiefer, selbst empfundener Bedeutung.

Wichtig ist, dass der Staat in der Pandemiefrage neutral bleibt. Jedes kantonale Impfzentrum muss mit einem kantonalen Trychlerzentrum abgegolten werden. In einem Trychlerzentrum wird dem Patienten unter schamanischer Aufsicht das Virus mit der Glocke ausgetrieben.

Trycheln entwickelt sich zum Oktoberfestbrauch und zum Exportschlager der Schweiz. Trychelkleider gibts bald im H & M zu kaufen und Joch und Schellen im Jahresabo beim «BimBam Lifestyle». Es folgen erste Trychlerpartys in München, in Kopenhagen, Dubai, Abu Dhabi.

Wird die Impfquote nicht endlich erhöht, droht die schwere Entscheidung der Triage im Triemli. Ebenso schwer ist die Entscheidung, wer im letzten Triell der Bundestagswahlen wirklich gut war. Laschet scheint abgeschlagen, Baerbock ist besser dran, während Scholz die Erinnerung an Schröder wachruft und nicht unbedingt die an Schmidt. Wer alle Trielle gesehen hat, kann sich wohl nur schwer für eine dieser eher mittelmässigen Personen entscheiden. Hier könnte die Politik vom Konsumgütermarkt lernen. Wären diese KanzlerkandidatInnen zum Beispiel ein Jugendabenteuerroman, würden sie «Die drei ???» heissen. Oder wären sie von Lego, dann gäbe es alle drei in einem Set plus Söder noch gratis obendrauf. Man hat mehr fürs Geld. Bei Kellogg’s wären sie drei verschiedene Müeslisorten, je in einem kleinen Kartonschächteli, zusammen eingeschweisst, «Aktion 3 für nichts» oder so was.

Hätten die wiederauferstandenen ABBA nur noch drei statt vier Mitglieder und würden ABB heissen, fehlte etwas (der ABB-Chef heisst übrigens auch Björn mit Vornamen). Und würden nur Laschet und Baerbock gewählt, dann würde Scholz enorm fehlen. Nur Tick und Trick. Noch schlimmer, wenn nur eine einzelne Person die Wahl schaffen würde, zum Beispiel Laschet. Tick. Das wäre ein Armutszeugnis für den Standort Deutschland, meine Damen und Herren. Das klingt vielleicht banal, aber es ist so, es ist einfach so, da dürfen wir nicht um den Brei herumreden. Diese Bundesregierung braucht alle verfügbaren Kräfte, und wenn ich alle sage, dann meine ich alle drei, ihn, sie, mich, und Sie zu Hause an den Fernsehgeräten, meine Damen und Herren. Es braucht Veränderung, es braucht Mut, es braucht Entschlossenheit. Drei Dinge, drei KanzlerInnen!

Nun, es bleibt wohl nur ein Traum, diese Kanzlerschafts-Ménage-à-trois, diese Triade, dieses Triptychon demokratischer Teilzeitarbeit. Am Schluss wird einfach Scholz als Sieger dastehen, so glanzlos wie Biden. Kaum beginnt er zu kanzeln, kann er sich gleich mit der nächsten Krise aus China herumschlagen, der Evergrande-Weltwirtschaftskatastrophe. Es hört nie auf.

(Rimoldi wäre übrigens ein guter Kanzlerkandidat. Verpeilte Männer aus südlichen Nachbarstaaten sind bei den Deutschen beliebt. Vielleicht kann ja 2026 nur Rimoldi Björn Höcke noch stoppen.)

Ruedi Widmer ist Vom-Dreimeter-Ränzler-Kandidat aus Winterthur.