Aargau: Geflüchteten Sozialhilfe zu Unrecht vorenthalten

Nr. 42 –

Der Kanton Aargau zahlte anerkannten Flüchtlingen, die in Asylunterkünften leben, jahrzehntelang zu wenig Sozialhilfe. Im Schnitt geht es um monatlich 220 Franken. Das macht einen existenziellen Unterschied, wenn das Budget ohnehin nur dreistellig ist. Dem verantwortlichen SVP-Regierungsrat Jean-Pierre Gallati sei das Thema kurz nach seinem Amtsantritt 2019 vom Kantonalen Sozialdienst unterbreitet worden, schreibt eine Sprecherin des Departements für Gesundheit und Soziales auf Anfrage der WOZ. Dabei habe Gallati erkannt, dass es «gegen das Völkerrecht und Bundesrecht» verstosse, Menschen mit Flüchtlingsstatus in der Sozialhilfe zu diskriminieren.

Linke und Asylaktivist:innen benennen den Missstand seit fünfzehn Jahren: 2006 machte das Netzwerk Asyl Aargau darauf aufmerksam; 2007 reichte die SP erstmals einen Vorstoss dagegen ein. Im Parlament war dieser damals ebenso chancenlos wie in der Regierung. Diese lehnte ihn unter anderem mit dem Argument ab, wer in Asylunterkünften lebe, leiste die «geforderte Integration in den Arbeitsmarkt (…) unzureichend».

1,3 Millionen Franken hat der Aargau etwa 1800 anerkannten Flüchtlingen alleine in den vergangenen fünf Jahren vorenthalten. Immerhin diese Gelder will der Kanton an die Betroffenen auszahlen; die Ansprüche für die Zeit davor sind verjährt. Gemäss einer Sprecherin kenne der Kanton die Identität der Betroffenen nicht, deshalb müssten die Geprellten für die Nachzahlung extra ein Gesuch stellen. Bis Anfang Woche sind 73 Gesuche eingegangen; 62 wurden gutgeheissen. Das Geld ist aber keine Genugtuung: Der Betrag erhöht die Sozialhilfeschulden und muss zurückbezahlt werden, sobald sich die wirtschaftliche Situation verbessert.

Profitiert habe der Kanton von seiner widerrechtlichen Ersparnis nicht: So sei das Defizit im Asylwesen weniger stark überschritten worden als sonst, führte die Regierung unlängst in der Antwort auf eine Interpellation von SP-Grossrätin Lea Schmidmeister aus. Die Kantonsregierung hat nach eigener Auffassung gegen das Völkerrecht verstossen – und trotzdem klingt sie, als wäre der Kanton der Geschädigte.