Energiepolitik: Kein Rauswurf für das Klima

Nr. 44 –

Ende Monat stimmt der Kanton Zürich über die Revision des Energiegesetzes ab. Zu reden geben dabei mögliche negative Auswirkungen auf die Mieter:innen. Doch der Widerspruch zwischen deren Schutz und progressiver Klimapolitik ist konstruiert.

Muss der Zürcher Kater Elvis wegen einer neuen Heizung ausziehen? Der Mieter:innenverband befürchtet nach Annahme des Energiegesetzes Leerkündigungen.

Eigentlich regelt das Zürcher Energiegesetz einen sehr technischen Gegenstand: Heizsysteme. In Zürich wird immer noch vielerorts fossil geheizt, und das verursacht rund vierzig Prozent der kantonalen CO2-Emissionen. Obwohl es eigentlich nachhaltige Alternativen gäbe. Dort setzt dann auch die Revision des Energiegesetzes an, die am 28. November zur Abstimmung kommt: In Zukunft sollen fossile Heizsysteme am Ende ihrer Lebensdauer nur noch durch nachhaltige Alternativen ersetzt werden dürfen. Mit zwei Ausnahmen: wenn Hauseigentümer:innen die höheren Investitionskosten einer nachhaltigen Heizung nachweislich nicht tragen können; und wenn eine klimaneutrale Heizung über die gesamte Lebensdauer hinweg mehr als fünf Prozent teurer wäre als ein fossiles System.

Diese Fünfprozentregel werde aber selten zur Anwendung kommen, meint Felix Nipkow, Leiter des Fachbereichs erneuerbare Energien bei der Energiestiftung. Denn: Die Investitionskosten sind bei nachhaltigen Heizsystemen zwar rund drei Mal höher als bei ihren fossilen Pendants; dafür sind die Unterhaltskosten deutlich tiefer. Es reiche allerdings nicht, abzuwarten, bis die Botschaft beim Markt angekommen sei, sagt Nipkow: «Jede Ölheizung, die jetzt als Ersatz eingebaut wird, bleibt noch zwanzig Jahre in Betrieb.»

Wirksame Regulierung

Die Zeit drängt, weil Zürich zu lange untätig war. Eigentlich beschlossen die kantonalen Baudirektor:innen schon 2014 die sogenannten Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich. Unter anderem sollten demnach Wohnhäuser zu mindestens zehn Prozent nachhaltig beheizt werden. In vielen Kantonen wurden die Regeln aber bis heute nicht umgesetzt. Etwa in Zug und Uri, aber auch im Aargau, in Solothurn und Bern, wo zwar entsprechende Vorlagen erarbeitet, aber dann an der Urne abgelehnt wurden. Und schliesslich auch in Zürich, wo das revidierte Energiegesetz die Vorschriften erst jetzt, sieben Jahre später, endlich umsetzen soll. Freilich mit einem Vorschlag, der gegenüber der 2014 vereinbarten Zehnprozentgrenze noch deutlich weiter geht.

«Wird das Energiegesetz angenommen, steht Zürich im kantonalen Vergleich gut da», sagt Elmar Grosse Ruse, der bei WWF Schweiz das Energiedossier verantwortet. Vergleichbare Gesetze gebe es allerdings auch schon in anderen Kantonen. Glarus hat erst kürzlich ein Verbot fossiler Heizungen beschlossen. In Basel-Stadt müssen nachhaltige Heizungen schon seit 2017 bevorzugt werden, wenn sie nicht teurer sind als andere Systeme. «Das hat den Anteil der fossilen Heizungen von zwei Drittel auf zehn Prozent reduziert», sagt Grosse Ruse.

Das Beispiel Basel zeigt also, dass die Regulierung der Heizsysteme wirkt. Der Abstimmungskampf in Zürich dreht sich aber um eine andere Frage. Anfang Oktober lud der Zürcher Mieter:innenverband (MV) zu einem eher konfusen Mediengespräch. Thema war seine Haltung zur Revision des Energiegesetzes. «Wenn alles korrekt abläuft, müssen sich Mieter:innen keine Sorgen machen», sagte Geschäftsleiterin Raffaella Albione dort. Der Verband befürworte Massnahmen im Kampf gegen die Klimaerhitzung, stellte sie klar. Nur um später mitzuteilen, dass er keine Parole fasse.

Die Profitgier des Marktes

Grund ist die Angst vor Leerkündigungen. Der Einbau eines neuen Heizsystems ist zwar an sich kein grosser baulicher Eingriff. Aber er könnte Hauseigentümer:innen als Anlass für weitere Sanierungsarbeiten dienen – und mit dieser Rechtfertigung als Kündigungsgrund. Leerkündigungen sind beliebt, weil sie die Anpassung des Mietzinses an den üblichen Marktpreis erlauben: nach oben. In der Stadt Zürich etwa mussten zwischen 2014 und 2016 bei 46 Prozent aller Umbauten sämtliche Mieter:innen ausziehen.

Erneut macht Basel-Stadt vor, wie es geht. Dort kommt am 28. November eine Initiative zur Abstimmung, die den bereits weitreichenden Mieter:innenschutz noch verstärken soll: Umbauten, die nur der Renditesteigerung dienen, sollen verboten und Mieterhöhungen noch stärker eingeschränkt werden. Der Zürcher Stadtrat will jetzt immerhin die Auszahlung zusätzlicher Subventionen für den Heizungsersatz daran knüpfen, dass den bestehenden Mieter:innen nicht gekündigt wird. Und auch der grüne Zürcher Baudirektor Martin Neukom schreibt der WOZ: «Ich bin sehr offen für die Anliegen der Mieter:innen.» Es seien deshalb Anpassungen im kantonalen Förderprogramm Energie geplant. Künftig sollen etwa energetisch vorbildliche Ersatzneubauten nicht mehr gefördert werden. «In diesem Bereich kommt es fast immer zu Leerkündigungen», so Neukom.

Elmar Grosse Ruse vom WWF zeigt wenig Verständnis dafür, dass der MV sich einer Parole enthält: «Natürlich will man an jeder Stelle ein Zeichen für mehr Mieter:innenschutz setzen», sagt er. «Aber die Heizung steht im Keller.» Die beiden Anliegen sollten deshalb nicht gegeneinander ausgespielt werden. Dass es bei einer Annahme des Energiegesetzes zu Leerkündigungen kommen würde, sei zwar ziemlich sicher. Das sei aber nicht das Problem des nachhaltigen Bauens – sondern der Profitgier des Immobilienmarkts.