Neues CO2-Gesetz: Klammheimlich schrumpft der Bonus

Nr. 51 –

Sicher keine Verbote, ja keine neuen Abgaben: Das revidierte CO2-Gesetz will niemandem wehtun – aber schwächt ausgerechnet das faire Instrument der CO2-Abgabe.

Jedes Jahr bekommen die Bewohner:innen dieses Landes Geld zurück. Aber sie merken es nicht. Rund zwei Drittel der Einnahmen aus der CO2-Abgabe auf fossile Brennstoffe werden über die Krankenkassenrechnung an die Bevölkerung rückverteilt. 2022 werden alle 88.20 Franken erhalten. Aber nicht alle haben gleich viel gegeben: Wer platzsparend wohnt oder nicht fossil heizt, erhält mehr, als er oder sie mit der Abgabe bezahlt hat. Davon profitieren nicht nur Hausbesitzer:innen, die sich eine ökologische Heizung leisten können, sondern auch die meisten Mieter:innen mit unterdurchschnittlichem Einkommen, weil sie kleinere Flächen bewohnen. Das ist die Idee einer Lenkungsabgabe. Mit dem CO2-Gesetz, das im Juni an der Urne scheiterte, wäre die Abgabe deutlich gestiegen – und damit auch die Rückerstattung.

Aber eben: Kaum jemand weiss das. Und das war – neben der Angst vor höheren Benzinpreisen – wohl einer der Gründe für das Nein im Juni. Die Universität St. Gallen hat im August die Ergebnisse einer Umfrage bei 757 Stimmbürger:innen veröffentlicht, die das Problem deutlich zeigt. Die Frage war klar: «Denken Sie, Sie haben im letzten Jahr eine Rückerstattung von CO2-Abgaben über die Krankenkassenprämien erhalten?» Unter den Gegner:innen des Gesetzes antworteten nur 23 Prozent mit Ja. Selbst bei den Befürworter:innen wussten nur 32 Prozent, dass sie einen Bonus bekommen hatten.

Warum sollten sie auch? Man muss die Krankenkassenrechnung schon sehr genau studieren, um diese Zahl zu finden. «Hier haben wir es verpasst, den Leuten klar zu zeigen, was sie zurückerhalten», räumte auch Bundesrätin Simonetta Sommaruga in einem Interview vor der Abstimmung ein. «Jede Person soll auf einen Blick sehen, wie hoch dieser Klimabonus jedes Jahr ist.»

Mehr Geld für Hauseigentümer:innen

Inzwischen ist Sommaruga wohl froh, dass die Mehrheit nichts vom Klimabonus weiss. Denn genau hier setzt das revidierte CO2-Gesetz an, das der Bundesrat letzte Woche in die Vernehmlassung geschickt hat. Der Bonus soll schrumpfen: von rund zwei Dritteln auf (mindestens) die Hälfte der Einnahmen aus der CO2-Abgabe. Den Rest will der Bundesrat wie bisher zur Subventionierung ökologischer Hausrenovationen und Heizungen verwenden. Neu wären es vierzig Millionen Franken mehr. Dieses Geld fliesst dann nicht mehr an alle, sondern nur noch an eine privilegierte Schicht: die Hauseigentümer:innen.

Mehr Geld für Haussanierungen sei nicht unbedingt schlecht für die Mieter:innen, sagt der grüne Luzerner Nationalrat Michael Töngi, Vizepräsident des Schweizer Mieterinnen- und Mieterverbandes (MV). Im Fall einer Sanierung müssten Hauseigentümer:innen beim Überwälzen der Kosten auf die Mieter:innen die erhaltenen Subventionen abziehen. Das Problem sei allerdings die mangelnde Kontrolle. Und immer noch sei nicht gewährleistet, dass es bei energetischen Sanierungen nicht zu Leerkündigungen komme. Töngi sagt aber auch: «Ein paar Millionen Subventionen mehr verändern den Immobilienmarkt nicht gross.» Was ihn am revidierten CO2-Gesetz stärker stört, ist etwas anderes: dass es ganz auf Anreize, nicht auf Vorschriften setzt. «Wir haben bei der erfolgreichen Abstimmung über das Zürcher Energiegesetz gerade gesehen, dass Vorschriften zum Ersatz von fossilen Heizungen mehrheitsfähig sein können.»

Tatsächlich kommt das revidierte CO2-Gesetz maximal harmlos daher: keine Verbote, keine neuen Abgaben. Schon die im Juni abgelehnte Vorlage versprach keinen wirklich wirksamen Klimaschutz, aber immerhin war sie beim Heizen konsequent: Nach einem Heizungsersatz sollten nur noch zwanzig Kilo CO2 pro Quadratmeter zulässig sein. Das war eben nicht nur ein Anreiz, sondern eine klare Vorschrift, die auch widerwillige Hausbesitzer:innen dazu gebracht hätte, die Heizung zu ersetzen und die Aussenhülle besser zu isolieren. Davon ist nichts mehr übrig.

Zwölf Rappen? Vierzig Rappen!

Hoch problematisch ist auch, dass die Schweiz weiterhin ein Drittel ihrer Treibhausgasreduktion mit Projekten im Ausland erreichen will. Und statt einer Flugticketabgabe ist jetzt eine «Beimischquote» nach EU-Vorbild geplant, ein Mindestanteil an sogenannt nachhaltigem Flugzeugtreibstoff. Dieser wird entweder synthetisch hergestellt – was Unmengen Strom braucht – oder klassisch aus Pflanzen. Beides ist in der angestrebten Grössenordnung schlicht nicht weltverträglich.

Wer mit der Vorlage, über die am 13. Juni abgestimmt wurde, nicht zufrieden war, hatte recht. Wer allerdings glaubte, nach einem Nein sei der Weg frei für ein besseres CO2-Gesetz, merkt spätestens jetzt, dass das eine Fehleinschätzung war. Und das Absurdeste am Ganzen: Im Juni empörten sich die Gegner:innen des Gesetzes über die geplante Treibstoffabgabe von maximal zwölf Rappen pro Liter. Im Herbst bezahlten sie auch ohne neues Gesetz rund vierzig Rappen mehr als Anfang Jahr. Die Abhängigkeit vom importierten Rohstoff Erdöl zu hinterfragen, scheint trotzdem undenkbar.