Gewalt im Fussball: Gute Fans, böse Chaoten

Nr. 44 –

Nach jedem Gewaltvorfall im Fussball ist die erste Reaktion Abgrenzung. FCZ-Präsident Ancillo Canepa schimpfte nach den jüngsten Ausschreitungen am Zürcher Derby über «Idioten». Der ehemalige GC-Präsident Roland Leutwiler raunte von «asozialen Elementen». Und der frühere Zürcher Stadtrat Gerold Lauber (CVP) meinte, es handle sich um «Kriminelle, die sich Fan-Tenues überziehen». Medien schreiben gerne von «sogenannten Fans» oder diffus von «Chaoten». Nur etwas dürfen jene, die an Fussballspielen gewalttätige Übergriffe begehen oder Pyrotechnik abfackeln, offenbar nie sein: Fans. Andreas Mösli, Geschäftsführer des FC Winterthur und einer der schlauen Köpfe in der Branche, schrieb nach den Vorfällen im Letzigrund im «Zürcher Oberländer» dazu: «Wir bestimmen nicht, was ein Fan ist, es gibt nicht nur die netten, die alle gern hätten.»

Indem sie das Problem einkapseln, schützen die Klubs Reputation und Geschäftsinteressen. Politiker:innen können Handlungswillen demonstrieren – wer steht schon für Kriminelle oder Idioten ein? Nur hilft das nichts, um die regelmässigen Gewaltakte in der Schweizer Fussballliga zu unterbinden. Dazu bräuchte es zunächst das Verständnis, warum es zur Gewalt kommt. Fankurven sind heterogene und komplexe Strukturen, die sich nicht so leicht in Gut und Böse aufteilen lassen. Mit Sozialarbeit und sozialwissenschaftlichen Methoden, konkret einer von den Klubs aufgewerteten, professionellen Fanarbeit, lassen sich nicht nur Erkenntnisse gewinnen, es entstehen auch belastbare Beziehungen zwischen Fans und Klubs oder Behörden – nicht nur im Fussball die beste Prävention gegen Gewalt.

Doch der Handlungsdruck weist in eine andere Richtung: Die Liga fordert eine Schliessung der Gästesektoren, Sportministerin Viola Amherd personalisierte Tickets. Sie tut das ausgerechnet mit Verweis auf die Erfahrungen mit dem Covid-Zertifikat. Genau vor diesem Kurzschluss allerdings haben Fangruppen monatelang gewarnt. Deutlicher kann man den Fans in den Kurven nicht sagen, wie irrelevant ihre Bedürfnisse sind.