Klimagipfel: Der Deal der Reichen

Nr. 46 –

Der Klimagipfel von Glasgow ist Geschichte. Auch wenn die Frustration über die wenig bahnbrechenden Ergebnisse bei einigen gross zu sein scheint – Anlass zur Enttäuschung gibt es eigentlich nicht: Enttäuscht werden kann nur, wer Erwartungen hatte. Und aus einer realistischen Perspektive gab es dafür schon im Vorfeld wenig Anlass. Das Mantra der britischen Präsidentschaft für den Gipfel lautete «Cash, coal, cars and trees» (Geld, Kohle, Autos, Bäume). Diese Strategie sollte garantieren, dass über den Gipfel hinaus Erfolge verkündet werden könnten – in Form von sektoriellen Abkommen in ebendiesen Bereichen.

Mit Blick auf die entscheidende Frage der Klimagerechtigkeit glich diese Ankündigung bereits im Voraus einer Bankrotterklärung. Statt über die historische Verantwortung der Industrienationen zu reden oder darüber, wie die Folgen des Klimawandels für die Ärmsten dieser Welt gemildert werden könnten, ging es allein um technokratische Scheinlösungen und entfesselte Märkte. Eine Enttäuschung? Für extreme Optimist:innen vielleicht. Für alle anderen: der gewöhnliche Lauf der Dinge.

Wenig überraschend ist auch die Deutlichkeit, mit der das koloniale Erbe des Westens in den Verhandlungen zutage trat. Alok Sharma, konservativer britischer Politiker und Präsident der 26. Weltklimakonferenz (COP26), vergoss medienwirksam Krokodilstränen über das Gebaren von China und Indien, die den Paragrafen der Schlusserklärung zum Kohleausstieg in letzter Minute verwässert hatten – und schuf damit den perfekten Sündenbock. Dabei ist das Verhalten beider Delegationen komplett rational: Solange sich die westliche Welt um ihre historische Verantwortung drückt und die zur Transformation und Anpassung nötigen finanziellen Mittel zurückhält, wäre es aus taktischer Sicht unklug, allzu grosse Zugeständnisse zu machen. Derweil lenkt der auf China und Indien gerichtete Zeigefinger vom eigentlichen Versagen der Industrienationen ab: Der von 135 Staaten unterstützte Vorschlag zur Gründung eines Fonds für die Kompensation von durch den Klimawandel verursachten Schäden wurde von den USA, der EU und von anderen reichen Staaten sabotiert.

Anstatt auf konkrete Pläne zur effektiven Treibhausgasreduktion setzt die Staatengemeinschaft lieber weiter auf das Netto-null-Konzept. Im Klartext: Verschieben der Kehrtwende auf übermorgen und Vertrauen auf derzeit kaum erprobte Technologien zur Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre oder, schlimmer noch, zur künstlichen Modifikation derselben – mit unabsehbaren Folgen.

Und einmal mehr lautet die Devise: Der Markt soll es regeln. Dazu wird viel Aufwand in komplexe Mechanismen für den Emissionszertifikatehandel gesteckt, ohne dass den von entsprechenden Projekten Betroffenen das Recht auf freie, vorherige und informierte Zustimmung gewährt würde. Die Schweiz gibt sich mustergültig und schliesst in diesem Bereich bilaterale Abkommen ab, die Rücksicht auf Menschenrechte nehmen sollen – was nichts daran ändert, dass sie sich damit von Entwicklungsländern das Recht erkauft, weiterhin auf Kosten des Planeten über ihre Verhältnisse zu leben. Das reichste Prozent der Weltbevölkerung verursacht fünfzehn Prozent der globalen Emissionen, was doppelt so viel ist, wie die ganze ärmere Hälfte der Erdbewohner:innen zusammen an CO2 verantworten. Vom in Glasgow ausgehandelten Deal profitieren einmal mehr – die reichen Länder.

Zuletzt: Es gibt Hoffnung. Trotz aller Versäumnisse, trotz aller offenen Fragen. Zwar steuert die Welt – gemessen an den Zielen für 2030 – noch immer auf eine Erwärmung von 2,4 Grad zu. Realistisch betrachtet, wird das 1,5-Grad-Ziel vielleicht nicht zu schaffen sein. Doch die Bekräftigung in Glasgow, dennoch daran festhalten zu wollen, ist umso wichtiger. Ohne den Druck der Strasse, ohne Fridays for Future, ohne die zahllosen Aktivist:innen, die sich weltweit gegen die Zerstörung des Planeten durch den Moloch des globalen Kapitalismus zur Wehr setzen – allein vergangenes Jahr wurden mehr als 220 von ihnen ermordet –, wären wir gar nicht erst hier. Noch ist nicht alles verloren. Die Losung lautet also: Nicht aufgeben. Das zählt jetzt mehr denn je.