100 Wörter: Anleitung zum Prokrastinieren
Auch die jüngste Methode, den Tag in produktive Einheiten zu unterteilen, um irgendwie irgendwann irgendetwas zustande zu bringen, erwies sich, wie alle zuvor erprobten, als zwecklos, wenn nicht gar kontraproduktiv. Das Erstellen der Tagespläne und das Einfärben der dadurch entstandenen Time Slots frassen bereits einen beachtlichen Teil der zur Verfügung stehenden Zeit. Das Grundproblem bestand darin, dass all diese Methoden, zum Erfolg zu gelangen, Disziplin zu vermitteln versprachen, in Wirklichkeit aber eine solche voraussetzten. Weil genau das Fehlen solcher Disziplin dem Wunsch nach Produktivitätsverbesserung zugrunde lag, war die Neudefinition von Erfolg die einzig valable Methode, sich mit dem Unerreichten zufriedenzugeben.
Stephan Pörtner ist Krimiautor («Köbi der Held», «Stirb, schöner Engel», «Mordgarten») und lebt in Zürich. Im Herbst 2019 ist sein neuster Köbi-Krimi, «Pöschwies», im Bilgerverlag erschienen. Für die WOZ schreibt er Geschichten, die aus exakt 100 Wörtern bestehen. Eine Auswahl unter dem Titel «100 Mal 100 Wörter» sowie «Mordgarten» und «Pöschwies» sind im WOZ-Shop www.woz.ch/shop als Buch erhältlich.