Pop: Musikschule der Strasse

Nr. 49 –

Beim Love-and-Peace-Festival 1970 auf der deutschen Ostseeinsel Fehmarn traten sie gleich nach Jimi Hendrix auf, sie spielten als Zirkusband in Afghanistan, jammten 1986 mit Fela Kuti in Nigeria und 2010 mit dem US-Hip-Hop-Produzenten Madlib in einem Münchner Jazzkeller. Wer von Krautrock spricht, kommt an Embryo nicht vorbei. Die Münchner Band, die sich stets als offenes Kollektiv verstand, war dabei, als in Deutschland Ende der Sechziger die Rockmusik neu erfunden wurde. Zehn Jahre später fuhr sie mit ihrem klapprigen Bandbus nach Kalkutta und zurück, um unterwegs mit den unterschiedlichsten Musiker:innen zu spielen – die Musikschule der Strasse.

Nach dem Tod ihres Vaters, des Embryo-Gründers Christian Burchard, übernahm Marja Burchard 2018 das Ruder und stellte die Band neu auf. Die Musik wurde rundum erneuert, die ellenlangen Improvisationen gestrafft und der Sound technologisch auf die Höhe der Zeit gebracht. Auf ihrem neuen Album «Auf Auf» zeigt sich die Band nun in bestechender Form. Über federnde Grooves in ungeraden Rhythmen breiten sich verschlungene Melodien aus, die von den Bläsern aufgegriffen und in virtuosen Improvisationen weitergesponnen werden, vorangetrieben von wuchtigen Bassläufen, umspült von Synthesizer, Gitarre oder Vibrafon. Gastmusiker aus Afghanistan und Marokko prägen den Sound mit Tabla, Oud, Gimbri, Cümbüs oder Rubab und Melodien in mikrotonalen Tonsystemen. Auch ein Alphornquartett tritt auf, es spielt einen meditativen Drone, über den die anderen Blasinstrumente einen hymnischen Chorus legen.

Auf der Suche nach einem Plattenlabel klopften Embryo auch bei Madlib an, der ihnen seit der gemeinsamen Session freundschaftlich verbunden ist. Nun erscheint also das Album einer über fünfzig Jahre alten Hippieband aus Germany auf dem Label eines amerikanischen Starproduzenten.

Embryo: Auf Auf. Madlib Invazion. 2021