Wichtig zu wissen: Geistige Winterreife

Nr. 50 –

Ruedi Widmer über Spitäler, die sich endlich am Weihnachtsmarkt behaupten müssen

Wir kennen die Diskussionen um die gefährdete Hegemonie der abendländischen Kultur («Wertekanon», CDU, SVP, Waffenbesitz) und deren angebliche Herausforderung durch andere Kulturkreise. Im schlimmsten Fall führen sie zum Aufkommen von Leuten wie dem französischen rechtsradikalen Präsidentschaftskandidaten Éric Zemmour (die «Weltwoche» berichtete begeistert), im weniger schlimmen Fall zu einfachen Facebook- und Telegram-Einträgen über Cancel Culture und «Man darf ja nicht mehr sagen, was man denkt». Ausserdem dürften in den Schulen hinter der Maske keine christlichen Lieder mehr gesungen werden.

Besonders in der Weihnachtszeit ist diese Diskussion virulent, vielleicht noch eher in Deutschland. In meiner Schweizer Stadt gibt es neu einen «Wintermarkt». Würde man ein Foto des Plakats dazu in die Wutforen stellen, gingen die Wogen hoch. Typisch, «Wintermarkt», «Winterlieder», «Schneemann statt Weihnachtsmann». Man verschweige das christliche Wiegenfest, wegen der Muslime und Juden sowieso und auch wegen der Frauen, da dürfe man ja auch nichts sagen. Doch der «Wintermarkt» auf dem Teuchelweiherplatz heisst so, weil er zusätzlich zum traditionellen «Weihnachtsmarkt» auf dem Neumarkt stattfindet. Es wäre wenig weihnachtlich, wenn er «Weihnachtsmarkt 2.0» heissen würde (als was er sich ein bisschen sieht), und es gäbe juristische Schwierigkeiten, wenn er «Besser-als-der-Weihnachtsmarkt-Markt» hiesse.

Zum Glück wissen die aufgebrachten Abendlandbewahrer nicht, dass Winterthur früher, ich glaube sogar noch bis in meine Kindheit hinein, Weihnachtsthur hiess. Der Winter ist überhaupt etwas Neues und Böses und wird von der Klimabewegung genüsslich nach Kräften gefördert, indem sie bei jedem Schneefall begeistert Beifall klatscht. Der linke Winter aber bringt Verkehrschaos, Corona und weitere Omikronen aller Art, damit sich die Leute impfen und maskieren müssen. Der traditionelle Abendländer weicht seit Menschengedenken dem Winter aus, indem er auf die Seychellen und in die Dom Rep flieht.

Weil man in der Schweiz nicht mehr Ski fahren darf wegen der ängstlichen Spitäler, beginnt man in den Inselferien mit Wasserski. Die «Wintermarkt»-Linken finden das natürlich daneben und behaupten, das emittiere viel mehr CO2 (mit Flug und Recht). Es geht nicht mehr lange, bis man auch nicht mehr «Wasser» sagen darf, sondern nur noch «Schnee», und wenns wärmer ist, «flüssiger Schnee», was suggerieren soll, Schnee sei in der knallharten, eiskalten Verbotswelt der Umweltschützer der Normalzustand und die Umwandlung in Wasser bereits ein Umweltschaden. Das versicherungstechnische Wort «Wasserschaden» bekommt eine ganz neue Note. Irgendwann werden die Versicherungen für den Zürichsee bezahlen müssen, weil der nicht gefroren ist.

Ich beobachte übrigens weniger, dass man keine christlichen Lieder mehr singen darf, als dass man keine christliche Nächstenliebe mehr praktiziert. Aus Rücksicht auf die Freiheit soll man sich und seine Mitmenschen mit Delta anstecken, damit sich die sozialistischen Spitäler mal schön auf dem freien Weihnachtsmarkt behaupten müssen. Die ungeimpften Schulen sind, zumindest im Kanton Zürich, so freiheitlich organisiert, dass man die Schülerinnen und Schüler jeden Montag auf die Freiheit testet. Sind sie positiv, bringen sie die Freiheit ins Haus zu den Eltern, die ziemlich schnell angesteckt werden, weil sie erst im Januar geboostert werden können. Weihnachten wird dieses Jahr selbst bei milden Temperaturen winterlich hart und frostig. Trotzdem schöne.

PS 1: Abendländische Autofahrer:innen sollten nicht vergessen, jetzt die Weihnachtsreifen (Adventskränze) zu montieren.

PS 2: Die Glühweinimpfung soll übrigens alle Gehirnzellen vernichten und bis sechs Monate anhalten.

Ruedi Widmer übersömmert in Winterthur heimlich Schnee im Gefrierschrank.