Universität Luzern: Eine Denkfabrik für Reiche

Nr. 51 –

An der Uni Luzern haben sich Milliardäre zusammen mit Professor:innen ein eigenes Wirtschaftsinstitut eingerichtet. Es soll zur rechtsliberalen Bastion der Schweiz werden.

Steuern und Staatsausgaben senken, Schulden abbauen. IWP-Direktor Christoph Schaltegger gilt als Hardliner. Foto: Raphael Hünerfauth

Noch bevor das neue «Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik an der Uni Luzern» (IWP) diesen Herbst den Betrieb aufgenommen hatte, wurde es bereits zum Politikum: Im Frühling wollten zwanzig Mitglieder des Luzerner Kantonsparlaments von ihrer Regierung wissen, ob der privat finanzierte Thinktank dem Ruf der Universität, unter deren Flagge er segelt, nicht schaden könnte. Schliesslich würden die Initianten des IWP eine «konservativ-libertäre Haltung» vertreten. Nachdem die Regierung die gesetzliche Frist zur Stellungnahme hatte verstreichen lassen, antwortete sie auf Nachhaken beschwichtigend: Das IWP eröffne vielmehr Chancen.

Direktor des neuen Instituts ist Christoph Schaltegger, Professor und Dekan der Wirtschaftsfakultät der Universität Luzern. Schaltegger hat sich einen Namen als Hardliner gemacht: Steuern für Reiche, Schulden sowie Staatsausgaben müssten runter, fordert er auch in der aktuellen Coronapandemie. Als Geschäftsführer des Instituts hat er sich eine nicht minder radikale Stimme geholt: den Journalisten René Scheu, der über fünf Jahre lang das Feuilleton der NZZ mit Beiträgen gegen Political Correctness und vermeintliche «Cancel Culture» auf Kurs gebracht hat. Das Institut hat sich zum Ziel gesetzt, die Stimmbevölkerung in wichtigen Entscheidungen zu Sozialstaat, Steuern, Arbeitsmarkt oder öffentlichen Investitionen zu beraten.

Milliardäre im Stiftungsrat

Um unter anderem auch die Bedenken im Luzerner Grossrat zu zerstreuen, luden Schaltegger und Scheu letzte Woche in den Erweiterungsbau des Zürcher Kunsthauses – der für die Kunstsammlung des Waffenhändlers Emil Bührle errichtet wurde – an eine Medienkonferenz, in der sie ihren offiziellen Slogan präsentierten: «Wirtschaftspolitik für alle». Ihre Forschung solle im Dienst der «Gesellschaft stehen, die sie auch finanziert», zitierte Scheu seinen Kollegen Schaltegger.

Ein Blick in die Trägerschaft verrät schnell, aus welchen Teilen der Gesellschaft das Geld für die Forschung des IWP stammt: Präsident der (steuerbefreiten) Stiftung ist Alfred Schindler, dessen Familienvermögen aus der Schindler AG in der Pandemie laut «Bilanz» auf über sechzehn Milliarden Franken gewachsen ist. Der Industrielle Schindler sei nicht nur als Philanthrop eingestiegen, sagte Schaltegger vor den Medien, er habe sich auch um die Sammlung der Gelder gekümmert.

Neben Schindler gewann das IWP vier weitere Leute für den Stiftungsrat: Thomas Sprecher, Partner der Wirtschaftskanzlei Niederer Kraft Frey, Andrea Opel, Professorin für Steuerrecht an der Uni Luzern, sowie Sara Hürlimann, die als ehemalige Eigentümerin der grössten Schweizer Zahnarztkette ein Vermögen gemacht hat. Der Letzte im Boot ist Michael Piper (Vermögen: rund 4,75 Milliarden Franken), der wie Schindler selbst im Nidwaldner Steuerparadies Hergiswil lebt. Die beiden Multimilliardäre vom Vierwaldstättersee drohten 2010, aus der Schweiz wegzuziehen, falls die von der SP lancierte «Initiative für faire Steuern» angenommen würde.

Finanziell getragen wird das Institut von rund zwanzig Personen, verriet Schaltegger der NZZ. Sie werden jährlich bis zu drei Millionen Franken spenden, mit denen fünfzehn Vollzeitstellen finanziert werden. Wer diese Geldgeber:innen sind, bleibt jedoch geheim. Auch die Universität Luzern, die den Lehrstuhl von IWP-Direktor Schaltegger finanziert, hüllt sich auf Nachfrage in Schweigen. Sie habe keinen Zugriff auf Spenderlisten oder die Buchhaltung der Stiftung. Uni-Rektor Bruno Staffelbach sei aber über Höhe und Verwendung der Mittel im Bild.

Die alten neoliberalen Kräfte

Um eine Einflussnahme der Geldgeber:innen auf das Institut zu verhindern, erhält Rektor Staffelbach gemäss Vertrag auch Einblick in die Tätigkeiten des IWP. Schaltegger betonte an der Medienorientierung mehrfach, dass das Institut politisch, finanziell wie auch ideologisch unabhängig sei. Zum einen wird das IWP jedoch kaum die Hand beissen, die es füttert. Zum anderen wird auch das Forschungspersonal, das Schaltegger ausgesucht hat, dafür sorgen, dass dies nicht passiert.

Seit der Finanzkrise 2008 ist der harte Wirtschaftskurs, für den Schaltegger steht, in der internationalen Wirtschaftsforschung im Gegenwind. Selbst in Organisationen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) wird der Kurs, der seit den achtziger Jahren die Reichsten begünstigt hat, zunehmend kritisiert. Angesichts der sich verschärfenden Ungleichheit und der starken Interventionen von Regierungen in der Pandemie hat sich der wirtschaftliche Diskurs geöffnet. Schaltegger setzt jedoch auf die alten Kräfte: Für den akademischen Beirat wurden mit dem deutschen Ökonomen Hans-Werner Sinn und dem britischen Historiker Niall Ferguson zwei der bekanntesten neoliberalen Stimmen der letzten Jahrzehnte geholt.

Weiteres Beiratsmitglied ist Lars Peter Feld, Leiter des Walter-Eucken-Instituts in Freiburg im Breisgau, das im Sinne seines Namensgebers dem alten Ordoliberalismus verpflichtet ist. Schaltegger ist selbst Mitglied des wissenschaftlichen Kuratoriums des Freiburger Instituts. Umso merkwürdiger wirkte die Selbstverständlichkeit mit der Schaltegger vor den Medien die «Glaubwürdigkeitsrevolution» pries, die in den Wirtschaftswissenschaften im Gang sein soll.

Ebenso einseitig wurde auch das Forschungspersonal des IWP besetzt. Die Steuerpolitik verantwortet Martin Mosler, dessen erste Studie fürs neue Institut belegen will, dass die Schweiz zu viel Geld für Bürokratie und Sozialleistungen ausgebe. Mosler, der früher unter Ökonom Sinn in München forschte, pries seinerseits vor den Medien die Schuldenbremse, die Sparmassnahmen der demokratischen Entscheidungsfindung entzieht, als Schweizer «Exportschlager».

Ein neuer Knotenpunkt

Das IWP in Luzern ist allerdings lediglich die jüngste Bastion eines weitverzweigten Netzes: In derselben Woche, in der Schaltegger sein Projekt vor den Medien präsentierte, vermeldete Tamedia, dass das Center for Research in Economics, Management and the Arts (Crema) in Zürich* den konservativen Schweizer Historiker Oliver Zimmer, der an der Oxford University lehrt, für einen Lehrstuhl gewinnen konnte. Gegründet wurde das Crema von den Ökonom:innen Bruno Frey, Margit Osterloh und Reiner Eichenberger, der in den Medien gerne SVP-nahe Thesen propagiert. Wie Schalteggers IWP wird das Crema von einer Stiftung finanziert, deren Namen nicht einmal bekannt ist.

Das Crema ist eines von sieben Instituten, das mit dem IWP verbunden ist. Auf der Mitgliederliste des Crema stehen auch Schaltegger sowie die IWP-Beiräte Mark Schelker und Lars Feld. Felds Walter-Eucken-Institut (mit dem das IWP ebenfalls eine Partnerschaft unterhält) ist eng mit der Mont Pèlerin Society verbunden, die seit ihrer Gründung 1947 trotz Glanzverlust so etwas wie das Zentralorgan des Neoliberalismus und weltweit mit unzähligen privaten Thinktanks verbunden ist. In der Schweiz konnte sich bislang keine solche rechtslibertäre Denkfabrik etablieren – anders als etwa in den USA, wo die mit der Mont Pèlerin Society verbundene Hoover Institution, an der IWP-Beirat Niall Ferguson arbeitet, seit Jahrzehnten grossen Einfluss auf die konservative und libertäre Bewegung ausübt.

IWP-Geschäftsführer Scheu kündigte an, dass er sich in den USA in einigen «Werkstätten» umsehen wolle, um sich dort inspirieren zu lassen. Mit dem von Milliardären finanzierten IWP hat auch die Schweiz ihre rechtsliberale Denkfabrik erhalten – die vom wissenschaftlichen Ruf der Uni Luzern profitiert.

* Korrigenda vom 23. Mai 2023: In der Printversion sowie in der alten Onlineversion steht fälschlicherweise, das Center for Research in Economics, Management and the Arts (Crema) sei an der Universität von Fribourg angesiedelt. Korrekt ist: Der Crema-Sitz befindet sich in Zürich.