Sachbuch: Im Dienst der Community

Nr. 1 –

Community, Gemeinschaft, der wärmste Begriff der vergangenen Jahre, wollweiche Behaglichkeit, ein freundlicher Raum, in dem man sich hilft. Den man so auch von den Krisenstürmen der postindustriellen Welt abgrenzt. Aber Obacht – die Soziologinnen Silke van Dyk und Tine Haubner wollen in ihrem kleinen Buch «Community-Kapitalismus» keineswegs freiwillige Hilfe, alternative Ökonomie oder solidarische Nachbarschaft in den Senkel stellen, sondern zeigen auf, dass sich der Kapitalismus neu ausgerichtet hat. Die Idee der Gemeinschaft ist, inmitten ökonomischer, sozialer und ökologischer Krisen, zu einer seiner zentralen Ressourcen geworden. Die Community ist eine Inklusionsvokabel, eine Steuerungstechnologie, weit mehr als nur ein ausgeweiteter Bereich der Ökonomie.

Der Begriff fehlt in keinem Start-up-Geschwätz, Versicherungen werben damit; wenn Lieferdienste Mitarbeiter:innen entlassen, tönen Chefs schon mal, dass das im «Dienst der Community» passiere. Es geht um freiwillige Arbeit, nicht bezahlte Überstunden, nicht regulär entlohnte Tätigkeiten, Posterwerbsarbeit. Oft in der Pflege, auf digitalen Plattformen. Auswüchse der inneren Ausrichtung, die van Dyk und Haubner zu Beginn des Buchs vorstellen: «Unbezahlte Arbeit war und ist … das Lebenselixier des Kapitalismus.»

Sie zeichnen nach, wie Verwaltungen im Gesundheits- und Pflegebereich Kosten sparen und gleichzeitig dafür werben, dass prekär Beschäftigte am Gemeinwohl mitwirken. Grundannahme ist, dass freiwillige Sorgearbeit nichts mit Wirtschaft und Kapitalismus zu tun habe, Empfänger:innen von Hilfeleistungen eine moralische Pflicht zur Gabe hätten.

So markieren van Dyk und Haubner einen Unterschied zum Bewegungsfetischismus mancher linker Gruppierungen – «die freiheitsverbürgende und autonomiestiftende Funktion sozialer Institutionen und sozialer Rechte» solle man nicht antietatistisch zerreden, sondern universalisieren: Damit würde die moralische Verpflichtung gegenüber der Community zu einem gesellschaftlichen Recht.

Silke van Dyk und Tine Haubner: Community-Kapitalismus. Verlag Hamburger Edition. Hamburg 2021. 176 Seiten. 25 Franken