Medienförderung: Wer ist hier unabhängig?
Es muss 2017 gewesen sein, als fünf Familien weltweit alle Medien übernommen haben. So erzählte es der Mittvierziger, den ich letztes Wochenende an einem Feuer vor einer Bar im Zürcher Niederdorf kennenlernte. Wir sprachen über Gott, die Welt und Corona. Bei der Schweinegrippe hätten die Familien die Medien noch nicht im Griff gehabt, wusste er, doch dank der Übernahmen habe sich nun die Pandemie erfolgreich inszenieren lassen. Am nächsten Tag lärmten wieder die Freiheitstrychler durch Zürich. Auf dem Schild eines Demonstranten stand: «Keine Steuergelder für Nazi-Propaganda. Nein zum Mediengesetz.» Was für eine Verharmlosung des NS-Regimes.
Dass die Medien von obskuren Mächten gesteuert sind, ist im Lager der Coronaverschwörer:innen ein fester Glaubenssatz. Sie haben denn auch einen beträchtlichen Teil der Unterschriften gegen die Medienförderung gesammelt, die am 13. Februar zur Abstimmung kommt. Mit den «Freunden der Verfassung» gemein macht sich das rechtsbürgerliche Nein-Komitee. Es verbreitet zwar noch keinen Verschwörungsglauben, doch mit dem Slogan «Nein zu Staatsmedien» stellt es die Gefahr der Abhängigkeit der Medien ebenfalls ins Zentrum des Abstimmungskampfs.
Die Unabhängigkeit der Medien erscheint in dieser Argumentation als Naturzustand, als wäre sie einfach gegeben. So wie andere grosse Begriffe wie «Freiheit» oder «Gerechtigkeit» muss sie aber stets aufs Neue erkämpft, gesichert und verteidigt werden. Bereits heute wird dauernd versucht, auf die Arbeit von Redaktionen Einfluss zu nehmen: von Politiker:innen, Parteien und Verbänden mit Kampagnen, von Verwaltungen, Unternehmen und Promis mit PR-Spins – und vor allem durch Werbekund:innen: Journalismus und Werbung fliessen immer stärker ineinander, in Publireportagen oder Native Ads.
Der historisch denkwürdigste Satz zur medialen Beeinflussung in der Schweiz kommt dabei von Walter Frey. Der Autoimporteur, spätere SVP-Financier und No-Billag-Förderer kritisierte 1979 den «Tages-Anzeiger»: «Die Zeitung macht ad absurdum Gebrauch von ihrer Pressefreiheit.» Wegen der ökologischen Berichterstattung des «Magazins» rief die Autolobby damals einen Werbeboykott aus. Die Wirkung verkehrte sich ins Gegenteil: Der «Tages-Anzeiger» unter seinem Chefredaktor Peter Studer knickte nicht ein, was der Zeitung und ihrem Magazin damals den Nimbus der Unabhängigkeit einbrachte.
Die Gefahr der Beeinflussung der Medien liegt aber nicht nur in solch plumpen Druckversuchen, sondern auch bereits im vorauseilenden Gehorsam von Journalist:innen. Wie weit darf man gehen, ohne mit einem Bericht Ärger zu bekommen, insbesondere mit den Geldgebern? Gegen die viel zitierte «Schere im Kopf» gibt es zwei Mittel: Das erste ist eine strikte Trennung von Redaktion und Verlagsgeschäft. Das zweite ist eine breit abgestützte Finanzierung der einzelnen Medien: durch Leserinnen, Werbekunden, Genossenschafterinnen, Aktionäre, Spenderinnen und den Staat.
Weil die Werbung einbricht, soll Letzterer nun die Medien stärker als bisher unterstützen. Im vorliegenden Gesetz sind zwei entscheidende Sicherungen eingebaut. Mit der Subventionierung durch den Staat sind lediglich formale Auflagen verbunden: So muss zum Beispiel die Werbung klar von den Berichten getrennt werden. Sollte es dennoch zu inhaltlichen Einflussnahmen durch die Politik kommen, könnte der gleiche Effekt eintreten wie damals bei der Autolobby. Zudem ist der Anteil der staatlichen Unterstützung an der gesamten Finanzierung eines Mediums beschränkt: Sie darf bei kleinen Online-Start-ups und Lokaltiteln maximal ein Drittel des Umsatzes betragen. Bei den Grösseren dürfte der Anteil weit bescheidener ausfallen, bei der WOZ wohl rund vier Prozent ausmachen.
Die Warnung vor Staatsmedien fällt damit in sich zusammen. Wie es überhaupt eine schöne Ironie ist, dass ausgerechnet jene, die am lautesten vor dem drohenden Verlust der Unabhängigkeit warnen, diese längst preisgegeben haben: Meinungsplattformen wie der «Nebelspalter» finanzieren sich fast ausschliesslich über rechte Millionär:innen. Darunter ist auch Walter Frey.