Abstimmungssonntag: Verdrehter Klassenkampf

Nr. 7 –

Offenbar glauben sie selbst nicht mehr recht an die Überzeugungskraft ihrer Ideologie: Die rechtspopulistischen Verfechter:innen des freien Markts und der unausweichlich damit verknüpften Marktkonzentration bedienen sich immer euphorischer der Rhetorik des Klassenkampfs. So bekämpfte die Rechte schon im letzten Jahr das CO2-Gesetz mit dem Vorwand, die Kleinverdiener:innen schützen zu wollen. Im jetzt beendeten Abstimmungskampf um den Ausbau der Medienförderung setzten sie noch einmal einen drauf. Mit dem Slogan «Keine Steuermilliarden für Medienmillionäre» zielten sie direkt auf reiche Verleger.

In der Diskussion um die Abschaffung der Stempelsteuer war die konzernkritische Position dagegen von links besetzt. Um sich trotzdem nicht mit den Millionär:innen gemein zu machen, die von der Vorlage profitiert hätten, bemühten die Befürworter:innen die Interessen von Kleinunternehmen, obwohl diese nachweislich kaum von der Emissionsabgabe betroffen sind. Der überbordende KMU-Fetisch der Bürgerlichen wäre fast lustig, wenn er nicht so irreführend und gefährlich wäre.

Die gute Nachricht des Abstimmungssonntags ist, dass sich die Stimmenden nicht vom Märchen einlullen lassen, wonach Tiefsteuerpolitik allen zugutekomme. 2017 wurde die Unternehmenssteuerreform III und 2020 die Erhöhung der Kinderabzüge abgelehnt. Die Absage an die Abschaffung der Stempelsteuer ist damit schon der dritte Referendumserfolg innert fünf Jahren, der bürgerliche Steuerpolitik betrifft. Die Aussichten auf einen weiteren Erfolg beim Referendum gegen die Abschaffung der Verrechnungssteuer sind gut.

Während das Nein zur Steuervorlage eine klare Botschaft birgt, ist es deutlich schwieriger, die Ablehnung der Medienförderung zu interpretieren. Ging es um ein grundsätzliches Unbehagen gegenüber den Medien? Um die Angst vor staatlicher Einflussnahme? Oder hat letztlich doch das vorgeschobene Argument der obszön reichen Verleger:innen den Ausschlag gegeben? Das Hauptproblem der Vorlage war wohl, dass sie zu viel Angriffsfläche bot. Verantwortlich dafür sind auch die Bürgerlichen, die im Parlament unter anderem ein Dividendenverbot für subventionierte Medien verhindert hatten und damit den Frontalangriff auf «Medienmillionäre» überhaupt erst ermöglichten.

Laut der Nachwahlbefragung von Tamedia war dieses Argument das zweitwichtigste für die Gegner:innen. Trotzdem ist die Ablehnung der Medienförderung kein linkes Nein. Gemäss derselben Befragung folgten linke Wähler:innen mit überwiegender Mehrheit der Parole ihrer Parteien.

Es ist deshalb auch verkürzt, wenn Kommentator:innen jetzt von einem grundsätzlichen Misstrauen gegenüber Bundesbern schreiben. Zwar stimmt es, dass der Bundesrat und die Mehrheit im Parlament bei beiden Vorlagen verloren haben. Das bürgerliche Parlament tut sich schwer, mehrheitsfähige Kompromisse auszuarbeiten. Aber der vergangene Sonntag bot doch widersprüchliche Antworten auf die Frage, in welche Richtung sich die politische Gemengelage derzeit verschiebt.

Interessanter ist der Diskurs, der dem Urnengang vorausging. Er bestand darin, dass die reaktionären Kräfte im Dunstkreis der SVP für ihren Abstimmungskampf zum Mediengesetz strategisch Aversionen gegen Reiche und Konzerne bemühten, obwohl ihre Politik die Machtkonzentration, die sie zu kritisieren vorgeben, begünstigt. Das Nein zum Gesetz zeigt das exemplarisch: Für die grossen Medienkonzerne ist es verkraftbar; kleinere und unabhängige Medien werden sich selbst überlassen und steuern angesichts steigender Papier- und Zustellpreise sowie von Problemen bei der Finanzierung von Onlineinhalten auf den Abgrund zu.

Pseudo-Klassenkampf von rechts bleibt somit inkonsistent – eine Sackgasse. Im besten Fall aber bietet er Angriffsfläche für linke Politik, die glaubwürdig darauf aufbauen – und Auswege aufzeigen kann. Das Mediengesetz hat eine solche Position nicht erlaubt. In Steuerfragen offenbart sie aber ihre Wirkmacht.