SGB lanciert Initiative: Milliarden für die AHV
In den Ausschüttungsreserven der Nationalbank lagern über hundert Milliarden Franken. Die Gewerkschaften möchten mit einer Initiative einen Teil davon in die AHV lenken. Von einem ganzheitlicheren Ansatz wollen sie nichts wissen.
Im globalen Vergleich sind die Schweiz und ihre Menschen märchenhaft reich. So lagern allein bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB) Reserven in Form von Aktien, Obligationen und Gold von über einer Billion Franken.
Die Gewinne aus diesen Anlagen fliessen unter anderem in die sogenannte Ausschüttungsreserve. Sie soll die jährlichen Zahlungen an Bund und Kantone – derzeit sind das sechs Milliarden Franken – auch bei Schwankungen gewährleisten. Die Ausschüttungsreserven sind mittlerweile riesig, sie betragen über hundert Milliarden Franken.
Alles andere als radikal
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) geht daher mit zwei Initiativen in die Offensive: Neben dem bereits zustande gekommenen Volksbegehren für eine 13. AHV-Monatsrente haben die SGB-Delegierten am vergangenen Freitag die Initiative «Nationalbankgewinne für eine starke AHV» lanciert. Ein Teil der Nationalbankgewinne soll demnach für die Sanierung der AHV verwendet werden; jährlich rund zwei Milliarden Franken. Ausserdem sollen in einer Einmalzahlung sämtliche seit 2015 aus Negativzinsen erzielten Gewinne der ersten Säule zugutekommen, das wären schätzungsweise elf Milliarden Franken.
Die Initiative ist alles andere als radikal. Sie tastet die geldpolitische Unabhängigkeit der Nationalbank nicht an. SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard betonte an der Delegiertenversammlung, dass die Initiative weder in die Rückstellungspolitik der SNB eingreife, noch etwas an den Gewinnausschüttungen an die Kantone ändere. Eine Alimentierung der AHV soll nur dann erfolgen, wenn die SNB, wie aktuell, hohe Reserven ausweist.
Die AHV hat schon einmal Geld von der SNB bekommen. Bereits 2007 schüttete die Nationalbank sieben Milliarden Franken aus dem Verkauf überschüssiger Goldreserven an die Altersvorsorge aus. «Was wir jetzt fordern, ist also nicht neu», sagte SGB-Chefökonom Daniel Lampart an der Delegiertenversammlung. «Wir knüpfen mit der aktuellen Initiative an diese Tradition an.»
Aktuell gibt es übrigens auch Positives vom AHV-Fonds zu vermelden. Der Fonds hat im Jahr 2021 rund zwei Milliarden Franken Rendite abgeworfen. Sein Vermögen steigt damit von 38 auf 40 Milliarden Franken. Eine weitere Stärkung des Fonds ist im Hinblick auf die steigende Zahl der Rentner:innen dennoch wichtig.
Debatte um den richtigen Ansatz
Zu reden gab an der Delegiertenversammlung des SGB ein Antrag aus der Westschweiz. Die Genfer Gewerkschaft SIT (Syndicat interprofessionnel de travailleuses et travailleurs) sowie die Genfer Sektionen des VPOD und der Syna beantragten, auf die Volksinitiative zu verzichten und an ihrer Stelle ein umfassenderes Volksbegehren auszuarbeiten. Mithilfe der Reserven der Nationalbank müssten der ökologische und der soziale Umbau – inklusive AHV – im Interesse der Arbeiter:innen vorangetrieben werden.
Manuela Cattani, die Kogeneralsekretärin des SIT, sagte: «Wir unterstützen natürlich das AHV-Anliegen, aber der Fokus allein auf die AHV ist zu eng.» Vor dem Hintergrund der Pandemie beschleunigten sich auch die Folgen der Klimakrise, etwa in der Luftfahrt, der Landwirtschaft, dem Tourismus oder dem Gastgewerbe. Es sei aber nicht an den Beschäftigten dieser Branchen, die ökologische und die ökonomische Wende zu bezahlen. Gewerkschafterin und SP-Nationalrätin Barbara Gysi sprach in einer Antwort auf den Antrag von einem «wichtigen Anliegen». Allerdings sollten die Gewerkschaften die sozial-ökologischen Fragen den linken Parteien überlassen, diese Arbeitsteilung habe sich bewährt. Sie verwies auf eine Initiative von SP und Grünen, die mittels einer Initiative einen Klimafonds schaffen wollen (siehe WOZ Nr. 2/2022 ). Dieser Fonds soll Investitionen in den ökologischen Umbau ermöglichen. 0,5 bis 1 Prozent des Bruttosozialprodukts sollen jährlich in den Fonds fliessen.
Die Genfer Gewerkschaften begrüssen zwar diese Stossrichtung, stellen jedoch fest, «dass dieser öffentliche Fonds aus den ordentlichen öffentlichen Finanzen gespeist werden soll», wie es in einem Papier der Genfer Sektionen heisst. Die ordentlichen Finanzen reichten aber schon heute nicht mehr aus, um starke öffentliche Dienstleistungen zu sichern, die Sozialversicherungen zu finanzieren und die Folgen der Klimakrise zu bewältigen.
Der ganzheitliche Ansatz der Genfer Gewerkschafter:innen war im SGB chancenlos. Die Delegierten lehnten ihn grossmehrheitlich ab. Jetzt will der Gewerkschaftsbund rasch die nötigen 100 000 Unterschriften für seine neue Initiative sammeln.