Skandalbank Credit Suisse: Hoffen auf Superreiche
Die CS taumelt von Krise zu Krise. Nun wird erneut der CEO ausgewechselt. Die Bank wäre wahrscheinlich längst bankrott, wenn der Staat nicht wäre, sagt Bankenprofessor Marc Chesney.
Die vergangene Woche markiert einen neuen Tiefpunkt in der Geschichte der Credit Suisse: Die Grossbank gab bekannt, dass sie innerhalb von nur drei Monaten einen Verlust von 1,6 Milliarden Franken eingefahren habe. Folgerichtig trat denn auch der erst vor zwei Jahren ins Amt berufene Thomas Gottstein zurück. Er wird durch den ehemaligen McKinsey- und UBS-Mann Ulrich Körner ersetzt.
Es ist kaum zu glauben, was sich die zweitgrösste Bank der Schweiz in den letzten Jahren geleistet hat: Neben unternehmerischen Fehlentscheiden zeigt sich immer wieder kriminelles Verhalten von Angestellten und mangelhafte Aufsicht der Führung. Die Liste der Verurteilungen und aussergerichtlichen Einigungen ist lang, weitere Ermittlungen und Gerichtsprozesse sind längst nicht abgeschlossen. Meist geht es um Geldwäscherei und Korruption, aber auch um die Manipulation von Devisenkursen zum eigenen Vorteil oder die Kreation von Wertpapieren, die sich im Nachhinein als Schrott erweisen. Die NZZ rechnete kürzlich aus, dass die CS seit 2014 rund sechs Milliarden US-Dollar an Bussen zahlen musste.
Immer die gleiche Leier
Und laufend kommen neue Skandale ans Licht: So machten verschiedene internationale Medien im Februar publik, dass die Bank reihenweise Konti für Diktatoren, Kriegsverbrecher und Menschenhändler führte. Die «Financial Times» enthüllte, wie die CS russischen Oligarchen Kredite für ihre Jachten und Jets gab und dies später zu vertuschen versuchte.
Auch Fehlspekulationen zählen zum unrühmlichen Repertoire: So verlor die CS vergangenes Jahr fünf Milliarden US-Dollar, als sie dem dubiosen Finanzakrobaten Bill Hwang mit seinem Hedgefonds Archegos half, den Aktienkurs einzelner Unternehmen künstlich aufzublasen. Kurz zuvor musste die Bank im Rahmen der Greensill-Affäre vier Investmentfonds für Superreiche im Umfang von zehn Milliarden Dollar schliessen.
Wenn nun mit Ulrich Körner ein neuer Mann an der Spitze von einer «fundamentalen Transformation» spricht, die eine «grosse Chance» eröffne, «die Bank für eine erfolgreiche Zukunft zu positionieren», so klingt das nach der alten Leier. Schon seine Vorvorgänger Tidjane Thiam und Thomas Gottstein waren angetreten, um eine «strategische Neuausrichtung» zu vollziehen.
Marc Chesney, Professor für Finanzmathematik an der Universität Zürich, vergleicht die Credit Suisse mit einem Autofahrer, der regelmässig einen Unfall baut: «Er dürfte längst nicht mehr rumfahren. Die CS jedoch darf trotz ihrer vielen Skandale weiter Geschäfte machen.» Dabei wäre die CS ohne faktische Staatsgarantie wahrscheinlich längst bankrott, sagt Chesney. Ihr Aktienkurs wäre noch viel tiefer im Keller, viele Kund:innen würden sich hüten, ihr Geld dort anzulegen. «Doch unter dem bequemen Vorwand, dass die Bank ‹too big to fail› sei – zu gross, um bankrott zu gehen – und der Staat sie nicht untergehen lassen könne, ohne bedrohliche volkswirtschaftliche Schäden zu verursachen, wird der Steuerzahler in Geiselhaft genommen.» Letztlich hafte er für die von der Bank eingegangenen Risiken ohne seine Zustimmung. Die Finanzmarktaufsichtsbehörde Finma habe es bislang nicht geschafft, dagegen wirksam einzuschreiten, kritisiert Chesney. Derzeit laufen bei der Finma zwei Verfahren gegen die CS wegen der Fälle Archegos und Greensill. Die Finma schreibt, sie stehe «mit systemrelevanten Instituten in einem intensiven, fast täglichen Austausch im Rahmen der laufenden Aufsicht».
Als Strategiewechsel wurde vergangene Woche erneut die Idee präsentiert, das hochdefizitäre Investmentbanking zurückzufahren und stattdessen noch stärker auf die Vermögensverwaltung zu fokussieren, also die Vermögen der Reichen und Superreichen zu mehren. Doch auch der Gewinn dieser Sparte ist abgesackt. Und noch schlimmer: Die Zahl der Kundengelder ging um mehrere Milliarden Franken zurück.
China als Wachstumsmarkt
Wie andere Banken setzt die CS künftig vermehrt auf die Vermögensverwaltung für reiche Chines:innen. Dafür hat sie schon einiges unternommen – allerdings auch hier nicht immer legal. So musste sie 2018 in den USA im Rahmen einer Korruptionsermittlung des Justizdepartements eine Busse von 77 Millionen Dollar bezahlen, weil sie in China bevorzugt Verwandte von hohen Beamten einstellte. Inzwischen hat die Bank ihr oberstes Führungsgremium auf China ausgerichtet. So sind nun zwei der dreizehn Verwaltungsrät:innen eng mit dem chinesischen Regime verflochten. Die chinesische Professorin Keyu Jin wurde Ende April mit 94,5 Prozent der Aktionärsstimmen ins höchste Aufsichtsorgan gewählt. Ihr Vater ist Präsident der von China dominierten Asiatischen Infrastruktur-Investmentbank. In einem Interview mit dem «Magazin» verharmloste sie vor einem Jahr den Umgang des Regimes mit der uigurischen Minderheit im Land und rechtfertigte die Hongkongpolitik Chinas. Noch stärker mit dem chinesischen Regime verbandelt ist Shan Li, der seit 2019 im CS-Verwaltungsrat sitzt. Er gehört der politischen Konsultativkonferenz der Einheitsfront Chinas an, «einem Topgremium der Einheitsfront der Kommunistischen Partei», wie der Chinaexperte Ralph Weber von der Universität Basel sagt. Li sei «ganz klar dem Einflussapparat Partei zuzuordnen», zumal er 2020 in Hongkong auch noch eine regimetreue Partei unter dem Namen Bauhinia gründete.
Durch diese Besetzungen scheint die CS darauf zu spekulieren, ihren Einfluss in China auszubauen. Allerdings, so Weber, bedeute das auch immer, dass umgekehrt China potenziell seinen Einfluss auf die Handlungsoptionen der CS ausbaue. So hat die Bank das Konto des Regimegegners und Künstlers Ai Weiwei unter fadenscheinigen Gründen aufgelöst, wie der «Tages-Anzeiger» letzten September berichtete.
Für die CS ist ihr Chinaengagement also erneut ein grosses Risiko, zumal es für die Privatwirtschaft in China in den letzten Jahren «ungemütlicher» geworden sei, wie Weber sagt. Kommt dazu, dass sich der Wirtschaftskrieg zwischen den USA und China intensiviert. Das könnte die Bank schon bald dazu zwingen, sich für eine der beiden Seiten zu entscheiden.
Die Credit Suisse müsste sich auf ihre Wurzeln besinnen, um aus der Krise zu kommen, findet Marc Chesney: «Ihr Gründer Alfred Escher realisierte im 19. Jahrhundert, dass die Schweiz Eisenbahnen braucht. Mit der Credit Suisse finanzierte er den Bau dieses für die wirtschaftliche Entwicklung so entscheidenden Netzes.» Von der Strategie, sich auf die Vermögensverwaltung für Superreiche zu konzentrieren, hält Chesney wenig: «Wo leben diese Banker eigentlich? In Zeiten von Hitzewellen und bedrohter Biodiversität braucht es Finanzinstitute, die den raschen Übergang vom fossilen Zeitalter in eine nachhaltige Wirtschaft finanzieren – und nicht Banken, die Superreiche noch reicher machen wollen.»