Ernährung: Bio braucht weniger Gas
Wenn alle Bäuer:innen bio wären – wäre das überhaupt ökologisch? Diese Frage ist komplizierter, als es scheint. Bio braucht mehr Platz, um gleich viel Weizen, Kartoffeln oder Gemüse zu produzieren, zumindest in gemässigtem Klima. Platz, der dann vielleicht für Naturschutzgebiete oder Wälder fehlt. Und manchmal müssen Biolandwirt:innen sogar mehr Traktor fahren als konventionelle: um Unkraut mit Hackgeräten loszuwerden statt mit Pestiziden. Solche Tatsachen hauen konventionelle Landwirt:innen ihren Biokolleg:innen gern um die Ohren.
Doch die Kritik greift zu kurz. Ja, Bio braucht mehr Platz – aber es ist absurd, die Welt in Landwirtschaftsland und «Raum für die Natur» aufzuteilen. Auf Bioflächen leben mehr verschiedene Pflanzen, Insekten und andere Kleintiere, darum finden hier auch grössere Tiere mehr Nahrung. Dank Verzicht auf synthetische Pestizide und Kunstdünger ist das ganze Ökosystem vielfältiger.
Über Pestizide wird viel diskutiert, über Dünger viel weniger. Dabei ist er eins der wichtigsten Argumente für Bio: Hier ist ein Nährstoffkreislauf möglich – dank Mist, Kompost und Hülsenfrüchten, die mit ihren Wurzelbakterien Stickstoff direkt aus der Luft aufnehmen. Die Herstellung von konventionellem Stickstoffdünger braucht hingegen enorme Mengen Gas. Mit den Gaspreisen steigen auch die Düngerpreise. Die Gemüsebranche, die auch fast alle anderen Produktionsmittel aus dem Ausland bezieht – Torf, Setzlinge, Brennstoff zum Heizen der Gewächshäuser –, spürt diese Abhängigkeit gerade empfindlich im Budget.
Das ist keine Schuldfrage, sondern Folge einer hundertjährigen Entwicklung, die ganz auf Effizienzgewinn durch fossile Energieträger und Spezialisierung setzte. Die Dekarbonisierung der Lebensmittelversorgung ist eine gigantische Aufgabe, die noch völlig am Anfang steht. Sie drängt nicht nur aus ökologischen Gründen, sondern auch, um die Abhängigkeit von den Öl- und Gasstaaten zu beenden. Insbesondere bei den Treibstoffen ist auch die Biolandwirtschaft nicht dekarbonisiert. Aber wer regional, saisonal und bio kauft, macht zumindest einen Anfang.