Feminismus: Das Recht, nicht zu kämpfen
Aggressive Homophobie ist seit langem ein Markenzeichen Wladimir Putins – ein Grund dafür, warum er unter Europas Rechten so viele Fans hat. In Russland, da scheint die Geschlechterordnung noch intakt, da sind Männer noch richtige Kerle, da darf man Schwule noch pervers nennen, ohne den Job zu riskieren. Das verweichlichte Europa hat vor lauter Genderdebatten und Regenbogenfahnen längst den Bezug zu den wirklich wichtigen Dingen verloren. So die «Argumente» aus diesen Kreisen.
Erschreckend ist nur: Viele, die nun gegen Putin maximal aufrüsten oder gleich selbst in den Krieg ziehen wollen, tönen fast gleich. Gerade die lautesten Verteidiger:innen des «freien Westens» scheinen wenig von jenen Errungenschaften zu halten, die lange und hartnäckige Menschenrechtsarbeit in grossen Teilen Europas erreicht hat. Wer die Rechte von Frauen und Queers als lächerlichen Luxus abtut, sollte dringend über den eigenen Demokratiebegriff nachdenken. Wenn sich diese Verachtung durchsetzt, hat Putin schon gewonnen – ohne Waffen einsetzen zu müssen. Krieg verengt das Denken.
Obwohl heute in vielen Armeen der Welt auch Frauen kämpfen, bleibt es dabei: Krieg ist frauenfeindlich. Es sind meistens Frauen, die die Familien zusammenhalten, für das Überleben sorgen, Verwandte unterstützen. Es sind Frauen, die mit Tod, Verletzung und Trauma ihrer männlichen Familienmitglieder umgehen müssen. Krieg ist immer mit sexualisierter Gewalt verbunden, und die vielen Waffen, die während und nach Kriegen im Umlauf sind, machen das Leben von Frauen nicht sicherer – im Gegenteil. Feminist:innen sollten hellhörig werden, wenn von Ruhm, Ehre und Heldentum die Rede ist, und genau hinschauen, wenn unkontrolliert Waffen verteilt werden. Und jeder Mann, egal in welchem Land, sollte das Recht haben, nicht zu kämpfen.
Klar klingt das in diesen Wochen nach hilflosem Appell. Doch gerade jetzt ist es wichtig, sich nicht von der Kriegslogik mitreissen zu lassen. Und weiter zu denken als bis zum nächsten Gegenschlag.