Auf allen Kanälen: Im Namen des Vaters

Nr. 14 –

Brauchen wir jetzt neue Männer? Oder einfach wieder die alten? Im Feuilleton grassiert die Gesellschaftsdiagnose im Modus der Karikatur.

Das Problem, sagte die Feministin, sei die Verbindung aus Misogynie, Patriarchat und Kapitalismus: «Dieses System muss komplett abgerissen werden.» So sprach die Philosophin Nina Power in der WOZ, vor etwas mehr als vier Jahren.

Heute tönt das plötzlich ganz anders bei ihr: «Warum wir das Patriarchat brauchen», so erklärt Power jetzt in ihrer Kolumne für das neue US-Onlinemagazin «Compact» (nicht zu verwechseln mit der rechtsextremen deutschen Zeitschrift gleichen Namens). Ihr zufolge leben wir längst nicht mehr im Patriarchat, auch wenn gerne das Gegenteil behauptet werde. Wir haben es also bereits abgerissen, das Patriarchat – und an seiner Stelle haben wir laut Power eine infantile Kultur installiert, in der die Unterschiede zwischen Mann und Frau verschwimmen und wo beide wie Geschwister miteinander wetteifern, «in einem Zustand perverser Gleichheit». Bitte, was?

Dazu muss man wissen: Nina Power (neues Buch: «What Do Men Want?») hat inzwischen ein etwas spezielles Verständnis des Patriarchats. Im Patriarchat nämlich würden Männer Verantwortung übernehmen, für ihre Familien und für die Gesellschaft als Ganzes. Und weil wir es nun ja leider abgeschafft hätten, seien uns deshalb auch einige wertvolle Rollen und Funktionen abhanden gekommen: «der schützende Vater, der verantwortungsvolle Mann, die paternalistische Haltung, die Fürsorge und Mitgefühl zeigt, statt einfach die Freiheit einzuschränken».

Wenn die Hand ausrutscht

Ja, wer denkt beim Patriarchat nicht auch zuallererst an die Figur des grundgütigen Vaters, in seiner emsigen Fürsorge und seinem grenzenlosen Mitgefühl! Ob der postpatriarchale Vater gerade darin nicht viel fähiger ist? Nein, den gibt es für Nina Power nämlich gar nicht. Das Patriarchat, so bemerkt sie mit einer These der Feministin Juliet Flower MacCannell, sei vom Regime des Bruders abgelöst worden: Die Bros haben die väterliche Herrschaft übernommen, aber ohne das Verantwortungsgefühl des guten alten Patriarchen. Und als nun Will Smith bei den Oscars den Komiker Chris Rock ohrfeigte, weil dieser einen geschmacklosen Gag auf Kosten seiner Frau gemacht hatte: War das also ein Bruderzwist? Oder wars doch die schützende Hand des Patriarchats, als dieser Vater aufstand, um die Ehre seiner Frau zu verteidigen, und sei es mit einer Ohrfeige?

Im Münchner Glockenbachviertel würde so was nie passieren, so müssen wir aus einem Gastbeitrag jüngst im «Spiegel» schliessen. Unter dem Titel «Zu weich für die neue Wirklichkeit» wollte der Journalist Tobias Haberl (neues Buch: «Der gekränkte Mann») hier «mal darüber nachdenken, was einen Mann eigentlich ausmacht und was nicht». Dabei orientierte er sich am eigenen Milieu, eben dem im Glockenbachviertel: linksliberal, akademisch, wohlhabend. Und was Haberl an den Männern in seinem Umfeld beobachtet, behagt ihm gar nicht, weil alles irgendwie unmännlich: Sie tragen gepunktete Socken und schlafen auf Nackenkissen mit Buchweizenfüllung, sie fahren für eine Stange Biolauch mit dem E-Bike zum Markt, sie stehen im Babybecken rum und gehen mit dem Kinderwagen joggen (die Liste ist unvollständig).

Wer den Mund hält

Mal abgesehen davon, dass es energietechnisch mit oder ohne E-Bike ein Unsinn ist, für eine einzige Stange Lauch auf den Markt zu fahren: Man ahnt schon, worauf diese Gesellschaftsdiagnose im Modus der Karikatur hinausläuft. Eine «weibliche Wohlfühlkultur» habe die «männliche Streitkultur» abgelöst, so Haberl. Angesichts von Krieg und Krise plädiert er deshalb für eine «gesunde Härte» und für andere echt männliche Eigenschaften, die der progressive Mann von heute leider vorschnell entsorgt habe. Als da wären: Widerstandskraft, Risikobereitschaft, Entschlossenheit, Mut und Wehrhaftigkeit. Lauter Tugenden, von denen man uns zu lange eingeredet habe, sie seien «toxisch». Nichts gegen Eigenschaften wie Mut, Entschlossenheit und Widerstandskraft, aber wieso genau sollen die besonders männlich oder besonders unweiblich sein?

Nochmals Haberl: «Im Moment sollen Männer ständig irgendwas beichten, den Mund halten oder sich schämen.» Selbst wenn dem so wäre und er sich also heroisch dagegen auflehnte: Scham wär gar nicht so verkehrt, bei solchen Texten.