Theater: Kunst und Kinderhaben

Nr. 14 –

Foto: Yoshiko Kusano

Und dann fliegen ihr Windeln und Sätze um die Ohren: «Du hast gesagt, du machst Tiramisu am Samstag!» Zack, eine Windel. «Kannst du das Licht brennen lassen?» Zack, die nächste Windel. «Füdli putze!» Zack, wieder eine Windel. Eleni Haupt lässt Windeln und Worte auf sich einprasseln. Am Ende öffnet sie seelenruhig eine Windel und isst langsam die Scheisse darin. Dann beginnt sie zu rappen: In einem atemlosen «Pippi-Gaggi-Rap», in den die vier anderen Frauen auf der Bühne einsteigen, entlädt sich ihr Frust – und wenn sie gemeinsam Rapper-Mackerposen überspitzt nachahmen, blitzt der Schalk auf, der die ganze Aufführung durchzieht.

«Kunst Mutter. Geburtshilfe für eine Archetypin» lautet der Titel des Stücks von Sonja Riesen und Anna Blöchlinger, in dem sich sechs Frauen damit auseinandersetzen, wie Mutterdasein und kreatives Schaffen vereinbar sind: Gehen Kunst und Kinderhaben überhaupt zusammen? Zu welchem Preis? Was bedeutet es für eine Schauspielerin, wenn sie schwanger ist? Wer engagiert sie noch? Und wie geht das mit den abendlichen Proben, die immer länger dauern? Ist wirklich alles nur eine Frage der Organisation?

In persönlichen Anekdoten geben die Frauen Einblick in die tägliche Überforderung. Das Stück ist eine schonungslose Selbstbefragung, die nie in eine platte Nabelschau abdriftet, die auf politische Einordnung verzichtet und bei der es kein Richtig oder Falsch gibt. Während die eine Künstlerin drei Monate nach der Geburt ihres Kindes auf Tournee ging, konnte eine andere nicht mehr künstlerisch tätig sein, eine dritte sah den Sinn der Kunst nicht mehr.

Schlicht gehalten ist die Bühne. Ein paar Matratzen, in der Mitte steht ein fleischfarbiger Hügel – es könnte ein schwangerer Bauch oder eine Brust sein: Zu Beginn des Stücks gucken Füsse aus den Löchern, später im Stück spritzt oben Flüssigkeit raus. Getragen wird das Ganze vom starken Spiel und der körperlichen Präsenz der Frauen sowie von den wunderschönen Klängen von Cégui, die als Musikerin und Sängerin zu einem ebenbürtigen Mitglied dieses umwerfenden Ensembles wird.

«Kunst Mutter. Geburtshilfe für eine Archetypin» in: Bern Theater Tojo, Do–Sa, 7.–9. April 2022, jeweils 20.30 Uhr. www.tojo.ch