Kommentar zum Atomwaffenverbotsvertrag: Feige Haltung

Nr. 15 –

Eine klare Mehrheit der Parteien fordert vom Bundesrat, den Uno-Atomwaffenverbotsvertrag endlich zu ratifizieren. Das zuständige Aussendepartement spielt aber lieber auf Zeit.

Der Krieg gegen die Ukraine hat die Atomwaffenfrage wieder ins Zentrum der globalen sicherheitspolitischen Debatten gerückt. Russland verfügt über knapp 6000 nukleare Sprengköpfe, und Präsident Wladimir Putin signalisierte relativ unverhohlen, diese gegebenenfalls einsetzen zu wollen.

Vor einer nuklearen Eskalation und ihren fatalen Folgen warnen Dutzende Länder, vor allem im Globalen Süden, schon lange – zusammen mit unzähligen NGOs und Aktivist:innen. Mit dem Ziel, einen Atomkrieg zu verhindern, ist 2007 die Internationale Kampagne zur Abschaffung der Atomwaffen (Ican) gegründet worden. Sie hatte Erfolg: 2017 verabschiedete die Uno-Generalversammlung den sogenannten Atomwaffenverbotsvertrag (TPNW). 122 Staaten stimmten dafür, darunter auch die Schweiz. Für ihren Einsatz erhielt die Ican damals den Friedensnobelpreis.

Mittlerweile haben sechzig Staaten den TPNW ratifiziert, darunter Österreich, Irland und Malta. Seit 2021 ist er offiziell in Kraft. Doch ausgerechnet in der Schweiz, die sich gerne ihrer humanitären Tradition rühmt, sträubt sich der Bundesrat gegen die Unterschrift.

Was sagen die Parteipräsident:innen dazu? Auf Nachfrage bei der SVP, die den TPNW ablehnt, argumentiert Marco Chiesa, dass der Vertrag die geostrategischen Realitäten ausblende: Nuklearwaffen spielten eine wichtige Rolle in der Sicherheitsdoktrin vieler Staaten, darunter die USA, China und Russland. Diese würden den Vertrag kaum je unterzeichnen. Dann offenbart er verblüffende Ignoranz: «Bezeichnenderweise haben bislang nur Belize, Malta, Moçambique, Niger, Sudan und Simbabwe unterschrieben», weshalb es sich beim Atomwaffenverbot um «linke Symbolpolitik» handle. Das ist falsch. Bei den genannten Staaten handelt es sich nur um jene, die den TPNW im Jahr 2020 ratifiziert haben. Vielleicht ist Chiesa bei einer Google-Suche auf diese Länderliste gestossen. Mit der falschen Darstellung konfrontiert, schweigt der SVP-Präsident.

Nicht ablehnend, aber kritisch-zurückhaltend ist die Position der FDP unter Parteipräsident Thierry Burkart. Auf Anfrage schreibt dieser, dass der Atomwaffensperrvertrag (NPT) «der Eckpfeiler der nuklearen Rüstungskontrollarchitektur ist und bleibt». Gemäss diesem von den offiziellen Atommächten (USA, Russland, China, Grossbritannien und Frankreich) initiierten und 1977 von der Schweiz ratifizierten Vertrag dürfen Staaten ohne Atomwaffen niemals solche anschaffen, während die Staaten mit Atomwaffen sich zur Abrüstung verpflichten. Gerade in jüngster Zeit kommen die Atommächte dieser Verpflichtung aber nicht nach. Im Gegenteil: Sie stecken alle Milliarden in die «Modernisierung» ihrer nuklearen Waffenarsenale (siehe WOZ Nr. 10/2021 ).

Burkart bezieht sich auf jene Argumentationslinie, die auch sein Parteikollege im Bundesrat, Aussenminister Ignazio Cassis, offiziell vertritt. Passend dazu hat sich Burkart letzte Woche medienwirksam für eine engere Kooperation der Schweiz mit der Nato ausgesprochen: Das westliche Militärbündnis lehnt den TPNW vehement ab, weil sein militärisches Kernkonzept in der nuklearen Abschreckung besteht.

Demgegenüber fordern Die Mitte, GLP, SP und die Grünen – und damit die klare Parlamentsmehrheit – den Bundesrat auf, den TPNW zu ratifizieren. Und zwar schon seit fünf Jahren. Damals nahmen beide Kammern eine Motion des SP-Parlamentariers Carlo Sommaruga an. Wenn es um die Atomwaffenverträge NPT und TPNW geht, verweist der Bundesrat aber immer auf Konferenzen und Neubeurteilungen, die es zu berücksichtigen gelte. Kurz: Er spielt auf Zeit und scheut sich, klar Position zu beziehen.

Bei den befürwortenden Parteien kommt das nicht gut an. Die deutlichsten Worte findet GLP-Präsident Jürg Grossen: «Wir können die abwartende Haltung des Bundesrats in diesem Zusammenhang nicht verstehen. Der Bundesrat schläft in allen international wichtigen Dossiers seit Jahren. Keine Leadership, keine Haltung.» Wo er recht hat, hat er recht.