Pop: Offensiv hedonistisch
Nichts klingt subtil an diesem Song, der Electro-Bass drückt wie blöd, der Beat verströmt einen Hauch von dumpfem Ibiza-Techno. Charli XCX singt mit gespannter Stimme davon, wie sie die guten Typen zwanghaft in die Wüste schickt, bevor sie in gereiztem Falsett den Refrain anzieht: Jetzt spürt man es, hier bitte lauter drehen! «Good Ones» von ihrem neuen Album «Crash» ist Leider-geil-Musik, am besten gleich im Auto hören. Wobei, es scheint dieser Frau auch gar nicht leidzutun.
Seit ihrem herausragenden Album «Pop 2» lotet Charli XCX eine Form von Popmusik aus, in der die Unterscheidung zwischen Avantgarde und Mainstream kollabiert. Manche suchen in ihren süffigen Songs daher nach subversiven Brüchen im Klang. Bei den Vorgängern «Charli» (2019) und «How I’m Feeling Now» (2020) lag das eher nahe, bei «Crash» wird es schon schwieriger. Nicht alles kommt hier so geradlinig daher wie «Good Ones», es überschreitet aber auch selten die Schmerzgrenze zur Massentauglichkeit. Doch was Charli XCX vorhat, ist sowieso ambitionierter, als subversiv in den Mainstream zu intervenieren – sie will selber prägen, was auf der Autobahn der Popmusik künftig laufen wird.
Trotzdem fühlt man sich auf dem neuen Album ständig an etwas erinnert: Eurodance, R ’n’ B und UK Garage aus den Neunzigern, Electro und Disco-Pop aus den Achtzigern. Doch diese scharf produzierten, offensiv hedonistischen Songs zielen nicht auf nostalgische Effekte, nicht einmal auf anregende Kollisionen. Überdreht sind die Sounds allemal: der hitzige Groove von «Baby», einem Song über «grossartigen Sex» (Charli XCX), die aufdringlichen Synthesizer und Samples (Orchestra Hits!) in «Lightning», das überhallige Schlagzeug und die barocken Ornamente in «Crash». Zu den schönsten Momenten tragen wieder grossartige Begleiterinnen bei, Christine and the Queens und Caroline Polachek in «New Shapes», Rina Sawayama in «Beg for You». Viel Spass!
Charli XCX: Crash. Warner Music. 2022