100 Wörter: Lieber aus der Zeit fallen
Dass sein Freundeskreis immer kleiner wurde, lag weniger an der ungünstigen demografischen Situation, in der sich Mittenstädter befand, will heissen, an jenem dem Tod in grossen Schritten zueilenden Alter, in dem Weggefährt:innen zusehends dahingerafft werden, als vielmehr an der Weltenlage und der damit einhergehenden Müdigkeit und dem Widerwillen, Meinungen zu den aufeinanderfolgenden dringlichen Krisen anzuhören, die so weit über unterschiedliche Ansichten hinaus in anstrengendes und irgendwie wenig hilfreiches Gewäsch ausuferten. Da konnte es schon vorkommen, dass ihm die viel gelobte soziale Interaktion gestohlen bleiben konnte und er lieber allein zu Hause blieb und ein Buch aus dem vorletzten Jahrhundert las.
Stephan Pörtner ist Krimiautor («Köbi der Held», «Stirb, schöner Engel», «Pöschwies») und lebt in Zürich. 2022 ist sein neuer Roman, «Heimatlos», im Bilgerverlag erschienen. Für die WOZ schreibt er Geschichten, die aus exakt 100 Wörtern bestehen. Eine Auswahl unter dem Titel «100 Mal 100 Wörter» sowie «Heimatlos» und «Pöschwies» sind im WOZ-Shop www.woz.ch/shop als Buch erhältlich