100 Wörter: Gentrifizierungstechnisch unbedenklich
Um sich einen energieintensiven und klimaschädlichen Lebensstil abzugewöhnen, wurden statt fremder Metropolen nun die Aussenquartiere der eigenen Stadt entdeckt und abgelatscht. Diese Art der Städtereise erwies sich als gar nicht so anders, ausser dass die Wahrzeichen fehlten, von denen Postkarten zu kaufen wären. Abgesehen davon führten die Wege durch ebenso unbekannte Siedlungen, in erstaunlich zahlreiche, wenn auch unbedeutende Museen, und die nötige Zwischenverpflegung wurde in Gaststätten von Migrant:innen eingenommen, die nicht die landestypische, dafür eine stets abwechslungsreiche, teils unbekannte Küche anboten und so den reiseimmanenten Entdeckertrieb vollauf befriedigten. Sogar die Übernachtung in über Plattformen gebuchten Privatwohnungen war gentrifizierungstechnisch völlig unbedenklich.
Stephan Pörtner ist Krimiautor («Köbi der Held», «Stirb, schöner Engel», «Pöschwies») und lebt in Zürich. 2022 ist sein neuer Roman, «Heimatlos», im Bilgerverlag erschienen. Für die WOZ schreibt er Geschichten, die aus exakt 100 Wörtern bestehen. Eine Auswahl unter dem Titel «100 Mal 100 Wörter» sowie «Heimatlos» und «Pöschwies» sind im WOZ-Shop www.woz.ch/shop als Buch erhältlich.