Energiepolitik II: Gut auf die Finger schauen
Nun soll es plötzlich schnell gehen: Die EU will von russischem Öl und Gas unabhängig werden und hat ein grosses Massnahmenpaket geschnürt. Letzte Woche präsentierte die Kommission den «REPowerEU»-Plan.
Teil des Plans ist eine begrüssenswerte Grossoffensive bei den erneuerbaren Energien: Bis 2029 sollen alle neuen Gebäude mit Solardächern gebaut werden. Und vor Europas Küsten will man in kürzester Zeit neue Windturbinenparks errichten. Gleichzeitig soll durch eine erhöhte Sanierungsrate und den Ersatz fossiler Heizungen durch Wärmepumpen Energie eingespart werden. Und das Ganze darf auch etwas kosten: 300 Milliarden Euro bis 2030.
Woher das Geld dafür kommen soll, ist noch nicht ganz klar. Und hier zeigt der Klimaschutzplan leider erste Schwächen: Fast zehn Prozent seiner Finanzierung sollen durch die staatliche Versteigerung von CO₂-Zertifikaten gedeckt werden. Unternehmen finanzieren also die neue Strategie mit und dürfen dafür weiter Dreck in die Atmosphäre blasen. Noch schlimmer jedoch ist: Gemäss der neuen Strategie sollen zusätzliche Pipelines gebaut werden, damit die EU von anderen Ländern als Russland mit Öl und Gas beliefert werden kann. Geld soll zudem an Atom- und Kohlekraftwerke gehen, um deren Laufdauer zu verlängern.
Nicht zuletzt will die EU grosse Mengen Flüssigerdgas und Wasserstoff importieren. Letzteres könnte zwar theoretisch in Form von «grünem Wasserstoff» Teil einer nachhaltigen Lösung sein. Doch scheinen dabei andere Interessen im Vordergrund zu stehen: Geleakte Dokumente zeigten, dass sich die CEOs der Öl- und Gasgiganten Shell, BP, Total und Eni regelmässig mit Mitgliedern der EU-Kommission über die «Machbarkeit» von Massnahmen der neuen Strategie berieten und diese absegneten.
Einmal mehr wird also die europäische Energiepolitik von jenen mit entworfen, die über Jahre für die fossile Abhängigkeit verantwortlich waren. Der Krieg darf aber unter keinen Umständen ein Vorwand sein, weiterhin umweltzerstörerische Praktiken zu legitimieren und die EU auch in Zukunft von Gas – auch wenn nicht russischem – abhängig zu halten.