Aufrüstung: Auf Crashkurs
Das Parlament öffnet die Geldschleusen fürs Militär. Dabei sollte ihm die Beschaffung von Aufklärungsdrohnen eine Warnung sein.
Im Verteidigungsdepartement dürfte der Champagner längst kalt gestellt sein. Am Erscheinungstag dieser WOZ stimmt der Ständerat über eine «schrittweise Erhöhung der Armeeausgaben» sowie über die Armeebotschaft 2022 ab. Das erste Geschäft – kurzfristig vor dem Hintergrund des Krieges gegen die Ukraine gezimmert – sieht vor, dass die Schweizer Armee im Jahr 2030 bis zu 9 Milliarden Franken pro Jahr ausgeben darf. Heute sind es 5,3 Milliarden.
Im Zentrum der Armeebotschaft wiederum steht der geplante Kauf von 36 US-Kampfjets des Typs F-35 zum Preis von über 6 Milliarden Schweizer Franken. Der bürgerlich dominierte Nationalrat hat beide Geschäfte locker durchgewinkt, inklusive herablassender Kommentare gegenüber linken Kritikerinnen. Auch der Ständerat, wo die Bürgerlichen ebenfalls in der Mehrheit sind, wird sie gutheissen.
Der Steuergeldsegen für die Schweizer Armee, vehement unterstützt von Aufrüstungsministerin Viola Amherd (Die Mitte), ist ein Akt der Verantwortungslosigkeit. Eine ernsthafte, auch wissenschaftlich fundierte Debatte fand in keiner Weise statt. Ein durchdachtes Konzept, das die milliardenschwere Budgeterhöhung in einer militärischen Logik rechtfertigen könnte, fehlt. Mit dem VBS wird ein Departement für die fulminante Aufrüstung verantwortlich sein, das bereits jetzt nicht fähig oder willens ist, Rüstungsbeschaffungen sauber über die Bühne zu bringen.
Viel später und viel teurer
Exemplarisch dafür steht die Aufklärungsdrohne Hermes 900 des israelischen Rüstungskonzerns Elbit. Vor einem Monat meldete die Beschaffungsbehörde Armasuisse, dass die erste Drohne eingetroffen sei und diesen Monat nach einer Testphase ihren Erstflug im Schweizer Luftraum absolvieren solle. Es klang wie eine Erfolgsmeldung. Dabei ist die Beschaffung ein Debakel.
Vor sieben Jahren bewilligte das Parlament einen Kredit über 250 Millionen Franken zur Beschaffung von sechs Aufklärungsdrohnen. Von 2019 an sollten diese schrittweise eingeführt werden – mittlerweile scheint ein Einsatz im Normalbetrieb erst ab Ende 2024 realistisch. Die Kosten liegen aktuell bei 300 Millionen Franken.
Ein Grund für die Verzögerung sind Schwierigkeiten beim Radarsystem. Dieses soll andere Flugobjekte im Luftraum erkennen und ihnen ausweichen. Für unbemannte Luftfahrzeuge in der Grösse der Hermes 900 mit einer Spannweite von fünfzehn Metern war weltweit bis vor kurzem kein entsprechendes Radarsystem zugelassen, weil sich die technische Umsetzung als hochkomplex erwiesen hat. Die parlamentarische Geschäftsprüfungskommission (GPK) hält eine Zulassung für den Schweizer Luftraum in ihrem jüngsten Bericht denn auch für ein «beträchtliches Risiko».
Schwere Unfälle
Aus guten Gründen: In den letzten Jahren kam es zu drei schweren Unfällen mit Hermes-900-Drohnen. Der jüngste davon liegt erst wenige Tage zurück. Am Wochenende erlitt eine Drohne bei einem Landeanflug auf den Philippinen einen Totalschaden. Vor drei Jahren verunfallte eine Hermes 900 auf Kreta, sie war dort für die europäische Grenzschutzagentur Frontex im Einsatz. Seither haben sämtliche EU-Agenturen keine solchen Drohnen mehr genutzt. Im Sommer 2020 kam es bei einem Testflug in Israel zu einem Absturz – bei der Drohne handelte es sich ausgerechnet um das für die Schweiz vorgesehene Modell. Kein Wunder, trägt die Hermes 900 in den Medien mittlerweile den Übernahmen «Crash-Drohne». Armasuisse hält trotzdem unbeirrt an ihr fest.
Statt die bisherige Beschaffungspraxis und -politik der Schweizer Armee zu hinterfragen, will das bürgerliche Parlament aber lieber die Geldschleusen weiter öffnen. Ein Blindflug ohne Radarsystem, weitere Crashs sind programmiert.
Mitarbeit: Matthias Monroy