Frauenstreik: Die Stadt den Frauen!

Nr. 24 –

«Scheisse!» Der Jogger blickte verärgert die Berner Altstadtgasse hinunter, durch die er hätte joggen wollen – und drehte um. Es gab kein Durchkommen für ihn: Ein Frauendemozug versperrte die Gasse. Die Frauen waren laut, fröhlich und wütend. Sie riefen Parolen, trugen violette Kleider und hielten Plakate in die Luft. In mehreren Schweizer Städten gingen am 14. Juni Tausende von Flinta*-Personen auf die Strasse. Um sich zu feiern und gleichzeitig ihren Unmut über die immer noch nicht erreichte Gleichstellung kundzutun. So auch in Bern.

«Immer no hässig» lautete hier das Motto des feministischen Streiks, die Themen der Reden auf dem Bundesplatz waren Lohndiskriminierung, nicht und unterbezahlte Care-Arbeit, die geplante Erhöhung des Frauenrentenalters oder die Änderung des Sexualstrafrechts.

Bis spät in die Nacht wurde getanzt. – Ein ungewohntes, wunderschönes Bild, die Stadt ganz in Frauenhand. Denn noch immer wird der öffentliche Raum zu grossen Teilen vom männlichen Geschlecht vereinnahmt. Dies beginnt schon bei den Buben, die die Fussballplätze und Pumptracks vor den Schulhäusern oder den Sprungturm in der Badi belagern, und geht weiter bis zu Fussballfanmärschen oder absurden Rockerfehden – wie gerade in Bern.

Höchste Zeit, dass Frauen den öffentlichen Raum für sich reklamieren. Während es für den Jogger ungewohnt war, dass er wegen Frauen seine Route ändern musste, gehört es für viele Frauen zum Alltag, dass sie die Strassenseite wechseln oder einen bestimmten Weg ganz meiden wegen Männern – oder genauer gesagt: weil sie sich vor möglicher Gewalt von Männern fürchten.

Tatsächlich findet sexuelle Belästigung zu einem grossen Teil im öffentlichen Raum statt. Gemäss einer Umfrage des Instituts GFS Bern aus dem Jahr 2019 wurden 56 Prozent der befragten Frauen auf der Strasse bedrängt, 46 Prozent im öffentlichen Verkehr, 42 Prozent in Bars und Clubs – hauptsächlich von Männern.

«Girls just wanna walk home» war denn auch auf einem der Transparente zu lesen.