Basel und das Klima: Ungenügend trotz bester Voraussetzungen
Eine Volksinitiative will, dass Basel-Stadt bis 2030 klimaneutral wird. Für die Regierung ist das zu heftig, und im Parlament wird gebremst. Droht der Klimaschutz selbst im fortschrittlichen Stadtkanton an der Realpolitik zu scheitern?

Klimaaktivist:innen richteten Anfang Juli im Basler Horburgpark für zehn Tage ein buntes Protestcamp ein. Neben vielen Diskussionsrunden forderten sie mit Aktionen eine «andere Welt», in der «Klimagerechtigkeit» herrscht. Während sich die Aktivist:innen am Freitag von mächtigen Basler Rheinbrücken abseilten und vor den Türmen der Pharmakonzerne und in der Innenstadt demonstrierten, informierte die Umwelt-, Verkehrs- und Energiekommission (UVEKB) des baselstädtischen Parlaments, wie der menschengemachte Klimawandel aus ihrer Sicht bekämpft werden soll.
Die Kommission reagiert damit auf die im Herbst 2020 eingereichte Klimagerechtigkeitsinitiative Basel 2030. Diese verlangt, dass der Halbkanton ab 2030 nicht mehr Emissionen ausstösst, als über natürliche und technische Massnahmen wieder aus der Luft entzogen werden – also netto null. Nur wenn dieses Ziel bereits 2030 erreicht werde, könne Basel dazu beitragen, die Erderwärmung unter dem kritischen Wert von 1,5 Grad Celsius zu halten. Doch manchen in der Stadt Basel geht das zu schnell. Netto null bis 2030 zu erreichen, würde «sehr tiefgreifende Veränderungen in vielen Politik- und Lebensbereichen erfordern», konstatiert die Regierung. Trotz Klimakrise ist sie dazu nicht willens. Sie schlägt stattdessen vor, netto null für 2040 anzustreben. Letzten Freitag nun hat die UVEKB einen Kompromissvorschlag gemacht, der auch ein direkter Gegenvorschlag zur Klimagerechtigkeitsinitiative ist: Demnach soll Basel-Stadt netto null im Jahr 2037 erreichen. Der Vorschlag findet sowohl bei Bürgerlichen wie in der SP Zuspruch. Kritik kommt aus dem links-grünen Lager, dem er nicht weit genug geht.
Mutlose Regierung
Tonja Zürcher, Grossrätin für die linksalternative BastA! und Mitglied des Initiativkomitees, lobt allerdings auch die Kommission. Diese habe den ungenügenden Vorschlag der Regierung «verbessert». Dies nicht nur in Bezug auf die eher symbolische Jahreszahl für das Erreichen der Klimaneutralität, sondern auch inhaltlich. So fordert die Kommission auf dem Weg zu netto null einen umfassenden Klimaaktionsplan und feste Fünfjahresziele. «Die Kommission hat das Maximum dessen herausgeholt, was im normalen Politbetrieb möglich ist», ist Zürcher überzeugt. Um dann anzufügen: «Leider reicht das trotzdem nicht.» Der Bericht des Weltklimarats besagt, dass die Klimagasemissionen weltweit bis ins Jahr 2030 halbiert werden müssen. «Wenn wir das in Basel-Stadt mit unserer hervorragenden Ausgangslage gerade knapp schaffen, ist das nicht genug», findet Zürcher. Der Stadtkanton müsse als Vorbild vorangehen.
Weniger diplomatisch ist der Grünen-Politiker Thomas Grossenbacher: Er spricht ob des Gegenvorschlags von einer «Katastrophe». An deren Ursprung sieht er die Regierung. Diese agiere ängstlich und ohne Zukunftsperspektive. Es habe Druck von der Regierung auf die linken Parteien gegeben, was zu diesem Kompromiss beigetragen habe. Letzterer werde «der Situation des Klimanotstands und den Möglichkeiten Basels nicht gerecht», sagt Grossenbacher. Die Politik nehme den «einfachen Weg» und negiere die «Dringlichkeit der Klimakrise». Basel als Stadt sei bisher im Kampf gegen den Klimawandel führend, werde nun aber von anderen europäischen Städten überholt.
In Basel werden Initiative und Gegenvorschlag der Kommission im September vom Parlament beraten und dann – falls Überraschungen ausbleiben – im November an die Urne kommen.
Schweiz in der Pflicht
In der Stadt Zürich haben die Stimmberechtigten im Mai bereits ein Klimaschutzziel verankert. Netto null soll 2040 erreicht werden. Zuvor war das Stadtparlament von seiner Forderung abgekommen, dieses Ziel bereits im Jahr 2030 zu erreichen. Doch solche Jahresziele haben nur bedingte Aussagekraft für die effektive Wirkung der Klimapolitik. So untermauert die Stadt Zürich ihr Ziel mit weiter reichenden und belastbareren Massnahmen als etwa die Stadt Bern, die zudem gar erst für 2045 netto null anpeilt. «Leider wirkt es aktuell so, dass Bern selbst dieses wenig ambitionierte Ziel verpassen würde», sagt die Berner Stadtparlamentarierin Jelena Filipovic (Grünes Bündnis). Dafür würde die Stadt viel zu wenig schnell vorwärtsmachen. Viele in Bern priorisierten Sparmassnahmen, statt in den Klimaschutz zu investieren, sagt Filipovic. Dabei wäre Letzteres für eine nachhaltige Entwicklung unabdingbar.
Sonia Seneviratne, die renommierte Klimaforscherin von der ETH, sieht die Schweiz und ihre Städte in der Pflicht: «Entwickelte Länder haben wegen ihrer historischen Emissionen mehr Verantwortung für die bisherige globale Erwärmung.» Diese sollten deshalb möglichst schon 2030 oder 2035 netto null erreichen. «Je früher, desto besser», sagt Seneviratne. Denn jede zusätzliche emittierte Tonne CO₂ führe zu mehr Erwärmung.
Das Kollektiv Climate Justice hat sein Camp in Basel inzwischen abgebaut. Es kritisiert den politischen Diskurs in Basel grundsätzlich. Statt über Jahreszahlen zu reden, müsse ernsthaft gehandelt werden. Doch leider fehle derzeit die Bereitschaft dazu.