Teuerung: Wer in Not gerät ...

Nr. 28 –

3,4 Prozent: Um so viel sind die Preise in der Schweiz innert eines Jahres gestiegen (Stand Juni). Verglichen mit anderen Ländern scheint das harmlos. Doch auch hier gibt es Hunderttausende, denen jede noch so geringe Teuerung ans Eingemachte geht. Für die Gewerkschaften ist die Teuerung eine gute Ausgangslage für Lohnforderungen, zumal im ersten Quartal 2022 das Bruttoinlandprodukt um 0,5 Prozent zugelegt hat und viele Branchen über Personalmangel klagen. Im Herbst bestimmt der Bundesrat zudem über eine Anpassung des Grundbedarfs von AHV, IV und EL.

Was aber ist mit all jenen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind? Der von der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) empfohlene monatliche Grundbedarf liegt bei 1006 Franken. Einzelne Gemeinden drücken selbst diesen Beitrag bis auf 700 Franken hinunter. Die Skos empfiehlt den Gemeinden, die Mietnebenkosten von Sozialhilfebezüger:innen zu übernehmen. Mindestens so dringend wäre jedoch eine markante Anpassung in der Sozialhilfe. Doch das liegt nicht in der Kompetenz des Bundes, sondern der Kantone. Insbesondere gilt das auch für die Tausenden von Geflüchteten: für vorläufig Aufgenommene, die maximal 700 Franken und mancherorts nicht einmal die Hälfte davon bekommen; und für die Ukraineflüchtlinge, die trotz Sonderstatus S vielerorts weniger als 400 Franken erhalten.

«Wer in Not gerät […], hat Anspruch auf […] die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind», lautet Artikel 12 der Bundesverfassung. Noch zu Beginn der Pandemie brüsteten sich Bund und Kantone damit, der Wirtschaft rasch und unbürokratisch über die Runden zu helfen. Nun aber schieben sie sich die Verantwortung gegenseitig zu. Zeit für ein Bundesrahmengesetz in der Sozialhilfe, das dem Verfassungsauftrag gerecht wird.