Agrarinitiative: Zwei Schritte zurück

Nr. 34 –

Zuerst die Schutzmasken, dann die Impfstoffe, jetzt Gas und Strom: Der Glaube, alle Güter seien jederzeit verfügbar, hat zuletzt schwer gelitten. Fair verteilen, was knapp ist, und vor allem die Versorgung nachhaltiger gestalten wäre sinnvoll und möglich. Doch die SVP versucht lieber, mit der Angst vor dem Mangel Stimmen zu fangen. Nach den absurden energiepolitischen Vorwürfen gegen Mitte-Links ist jetzt die Agrarpolitik dran. Die Partei hat angekündigt, eine Initiative zu lancieren, die einen Nettoselbstversorgungsgrad von sechzig Prozent vorschreibt.

Selbstversorgungsgrad? Der Begriff bezeichnet den Anteil der Nahrungskalorien, die ein Land selbst produziert. Netto bedeutet, dass der Kalorienanteil von importiertem Tierfutter bereits abgezogen ist. In der Schweiz liegt der Nettoselbstversorgungsgrad nur bei rund fünfzig Prozent. Kritik an diesem tiefen Wert ist berechtigt – gutes Ackerland wird global immer knapper. Es gäbe eine einfache Möglichkeit, den Selbstversorgungsgrad zu erhöhen: den Nutztierbestand reduzieren und auf den Äckern weniger Tierfutter, dafür mehr Pflanzen für die menschliche Ernährung anbauen. Das wäre ökologisch und erst noch gesünder – wenn die Konsument:innen auch weniger Fleisch ässen.

In diese Richtung geht die Massentierhaltungsinitiative, die am 25. September an die Urne kommt. Aber das ist natürlich nicht das Ziel der SVP mit ihrem Mantra, der Staat dürfe den Konsument:innen nichts vorschreiben. Ihr Initiativtext wolle «die Stärkung der Viehwirtschaft sicherstellen», sagt SVP-Nationalrätin Esther Friedli.

Das zeigt, dass es der SVP um etwas anderes geht. Sie möchte die kleinen Schritte Richtung Ökologisierung rückgängig machen – die Bioförderung, die Biodiversitätsflächen, die Landwirt:innen heute pflegen müssen, und die Renaturierung von Gewässern. Die «Vision» der SVP ignoriert den Biodiversitäts- und den Klimanotstand und propagiert eine Landwirtschaft von vorgestern: weiterhin viel zu viele Tiere halten, Ressourcen verschleudern – und massiv vom Erdgas abhängig bleiben. Denn genau das braucht es, um Kunstdünger herzustellen. Aber darüber reden die Rechten lieber nicht.