AHV-Abstimmung: «Nein» – für eine wirksame Reform

Nr. 37 –

Die Angstmacherei um die angeblich nahende Implosion der AHV ist mit Blick auf den Reichtum der Schweiz an Absurdität kaum zu überbieten. Zwar sagte der Historiker ­Matthieu Leimgruber vor der Abstimmung über die (knapp abgelehnte) Altersvorsorge 2020 zur WOZ: «Geht die AHV bankrott, ist die Schweiz bank­rott.» Doch davon ist das Land Äonen entfernt. Dennoch malen Bürgerliche und der Grossteil der Medien den Kollaps der AHV faktenwidrig in grellen Farben an die Wand.

Die Schweiz schwimmt im Geld, das Land strotzt vor Wirtschaftskraft.

Schaut man sich einige wichtige Kennzahlen an, wirkt diese Schwarzmalerei umso lächerlicher. Beim Bruttosozialprodukt belegte die Schweiz 2021 hinter der Steuer­oase Luxemburg den zweiten Rang im globalen Ranking, desgleichen in Sachen Wett­bewerbsfähigkeit. Das Land hat die Corona­krise ökonomisch locker weggesteckt, dank Mil­liar­denhilfen des Staates. Trotzdem ist dessen Verschuldung im internationalen Vergleich sehr tief – und damit der politische Handlungsspielraum im Hinblick auf die Finanzierung der AHV gross. Gerade hat das Bundesamt für Statistik bekannt gegeben, dass das Bruttosozial­produkt 2021 um 4,2 Prozent gewachsen ist, deutlich stärker als im Jahr vor der Coronakrise. Die Beschäftigung steigt ebenfalls stark an und damit die Lohnsumme, die auch die AHV füttert.

Die neun Sozialversicherungen sind insgesamt in blendender Verfassung. Ihr Finanzkapital liegt mittlerweile deutlich über einer Billion Franken. Auch die Nationalbank hortet selbst nach den Korrekturen an der Börse noch Mittel in der Höhe von knapp einer Billion Franken. Nebenbei erwähnen kann man auch die öffentlich-rechtliche Unfallversicherung Suva; sie sitzt auf ­einem Vermögen von über 51 Milliarden Franken. Und selbst der AHV-Ausgleichsfonds ist mit knapp 50 Milliarden gut gefüllt. Die Schweiz schwimmt im Geld und strotzt vor ­Wirtschaftskraft.

In diesem Umfeld müsste die Alters­vor­sorge gedeihen. Die Renten sollten steigen, nicht sinken. Weshalb also sollen ­ausgerechnet die Frauen die sehr pessimistisch prognostizierte Finanzierungslücke mit der Rentenaltererhöhung bezahlen? Alles spricht dagegen. Die in der Verfassung festgelegte Gleichberechtigung der Geschlechter ist auch nach Jahrzehnten nicht erreicht. Frauen leisten noch immer ­einen Grossteil der unbezahlten Care-Arbeit, sie arbeiten wegen ihrer Betreuungsaufgaben häufig in Teilzeit, die in der zweiten Säule (BVG) nicht oder kaum rentenbildend wirkt. Auch die Lohngleichheit ist nicht erreicht. Die Renten (inklusive BVG) der Frauen liegen 37 Prozent tiefer als jene der Männer. Gerade wurde die Behandlung dieses Geschäfts in die Dezembersession verschoben. Warum wohl?

Es gibt wirksamere Mittel, um die Finanzierung der AHV-Renten zu sichern. Allein die Lohngleichheit würde Jahr für Jahr schätzungsweise 800 Millionen Franken in die AHV spülen. Wächst die Lohnsumme – derzeit 400 Milliarden Franken –, liesse sich mit einer geringfügigen Anhebung der Lohnabzüge eine grosse Wirkung erzielen. Und dann sind da auch noch die gut gefüllten, öffentlich kon­trollierten Tresore der Schweiz – etwa jener der Nationalban­k.

Die Bürgerlichen wollen bei AHV und BVG inakzeptable Sparreformen durchsetzen. Ein Nein zur AHV 21 am 25. September wäre ein starkes ­Signal an Bundesrat und Parlament: Reformiert das Rentensystem nachhaltig und schafft existenzsichernde Renten! Jacque­line Badran hat in der WOZ Nr. 33/22 einen bedenkenswerten Vorschlag ins Spiel gebracht: Verschiebt Lohnprozente vom BVG in die AHV, dort sind sie rentenbildender, so lies­sen sich existenzsichernde AHV-Renten finanzieren. Höhere Renten sind volkswirtschaftlich sinnvoll. Denn die wachsende Kohorte der Rent­ner:in­nen ist auch eine der Konsu­ment:in­nen. Verfügen sie über genug Geld, stützen sie den Binnenmarkt. Die Gewerkschaften haben zudem eine Initiative für eine 13. AHV-Rente lanciert. Das sind richtige Ansätze.

Die Angstmacherei der Bürgerlichen vor dem Zusammenbruch des Rentensystems dient nur einem Zweck: Sie stärkt die Macht der Superreichen, der Konzerne und der Finanzwirtschaft. Ein Nein am 25. September stärkt alle anderen.