Gletscherinitiative: Rückzug mit offenen Fragen
Die Idee der Gletscherinitiative ist so einfach wie überzeugend: Am besten lässt sich das Klima retten, wenn wir Öl, Erdgas und Kohle nicht mehr in Verkehr bringen, also deren Nutzung verbieten. Oder wie es der Initiant und ehemalige WOZ-Redaktor Marcel Hänggi gern formuliert: Wer will, dass kein Wasser mehr fliesst, sollte nicht das Rohr zuhalten. Sondern den Hahn zudrehen.
Nun wird die Initiative zurückgezogen. Der indirekte Gegenentwurf, den National- und Ständerat abgesegnet haben, überzeugt das Initiativkomitee. Er hat dasselbe Ziel wie die Initiative: netto null Treibhausgase ab 2050. Aber statt eines Verbots fossiler Brenn- und Treibstoffe bringt er ein grosses Investitionsprogramm: 2 Milliarden Franken für den Ersatz fossiler Heizungen, 1,2 Milliarden für «neuartige Prozesse und Technologien zur Reduktion von Treibhausgasemissionen».
Das wirft Fragen auf. Vom Anstoss zum «Weniger», zu einer ganz anderen Wirtschaft ist im Gegenentwurf nicht mehr viel zu spüren. Es ist zu befürchten, dass ein grosser Teil des Geldes für «neuartige Prozesse» in Alternativen zum heutigen Flugbenzin fliessen wird, wie das schon im gescheiterten CO₂-Gesetz geplant war – und dahinter vergessen geht, dass das Fliegen im heutigen Ausmass nie ökologisch sein wird, mit keiner Technologie. Ob die nötige radikale Reduktion der Treibhausgase ohne Verbot möglich ist, bleibt offen. Und dass Hauseigentümer:innen vom Staat so viel Geld bekommen, ist wahrscheinlich nötig, weil es eilt, aber trotzdem eine Umverteilung nach oben.
Doch der Rückzug ist auch verständlich: Lieber ein konkretes Programm als eine Initiative, die am Ständemehr scheitert. Und auch Mieter:innen können profitieren – aber nur, wenn Vermieter:innen das eingesparte Heizungsgeld an sie weitergeben. Klimaschutz und Mieter:innenschutz dürfen sich nicht widersprechen. Hier muss die Linke genau hinschauen. Aber erst gilt es, das Referendum zu versenken, das die SVP gegen den Gegenentwurf angekündigt hat. Sie bleibt damit ihrer Linie treu: Alles sabotieren, was in eine nachhaltigere Zukunft führt.