Kino: Catherine Deneuve ins Gesicht spucken
«Als Stuntfrau musst du eine graue Maus werden», sagt Petra einmal: Dein Gesicht sieht niemand, es interessiert sich auch niemand dafür. Einfach funktionieren und all die Gewalt abbekommen. Im Dokumentarfilm «Cascadeuses» stehen sie für einmal im Zentrum: Petra, Virginie und Estelle, drei Frauen, die diesen Beruf voller Grenzerfahrungen ausüben.
Ein glamouröser Job? Eigentlich gar nicht. Als Petra mit ihrer Mutter einen alten Zeitungsartikel über Steven Spielbergs Film «Minority Report» anschaut, erkennt sie selber nicht mehr, welche der drei kleinen Figuren oben links auf der Abbildung sie ist.
Kein Gesicht, nur der Körper: Was das gerade für Frauen in diesem Job heisst, zeigt der intime, unaufgeregte Film von Elena Avdija. Früher, als es noch kaum Stuntfrauen gab, übernahmen Männer oft auch bei Frauenrollen die Stunts. Heute ist das zwar anders, aber auch Stuntfrauen müssen sich immer wieder mit einseitigen Einsätzen begnügen. Viel zu oft, sagt Virginie, müssten sie passive Opferrollen spielen, wobei sie geschlagen oder vergewaltigt werden. Die «schönen Szenen», wie sie sie nennt – rumklettern, sich abseilen, Sprünge von weit oben –, seien häufig den Männern vorbehalten, einfach weil noch immer viel mehr aktive Männerrollen in die Drehbücher geschrieben werden.
Wie schwierig das sein kann, erzählt gegen Ende des Films eine Kollegin von Estelle, die mit ihr eine französische Stuntschule absolviert: Seit sie selber in einer Beziehung physische Gewalt erlebt habe, könne sie solche Szenen kaum mehr spielen, ohne dass die Angst zurückkomme. Wann wird die gespielte zur realen Gewalt? Das fragt man sich etwa auch, wenn Estelle im Training drei, vier, fünf Mal von einem Wagen angefahren wird, um zu üben, wie man sich darüber abrollen kann.
Aufhören, trotz all der Strapazen, will offensichtlich keine der drei: So viel Adrenalin und Abwechslung gibts in kaum einem anderen Beruf. Wer kann denn sonst erzählen, wie schwer es fällt, Catherine Deneuve ins Gesicht zu spucken?
«Cascadeuses». Regie: Elena Avdija. Schweiz / Frankreich 2022. Jetzt im Kino.
