Bundesratswahlen: Baume-Schneider und die Bauern
Als chancenlos wurde die Bundesratskandidatur von Elisabeth Baume-Schneider abgetan. Doch der Jurassierin fliegen von unerwarteter Seite die Sympathien zu.
Elisabeth Baume-Schneider war in ihrer Jugend marxistische Aktivistin, Eva Herzog überholt in Steuerfragen bisweilen gar die bürgerlichen Parteien rechts (siehe WOZ Nr. 47/22). Welche der beiden SP-Bundesratskandidatinnen also die Stimmen der Bürgerlichen holen würde, schien völlig klar: Eva Herzog stieg als ganz grosse Favoritin ins Rennen um den frei werdenden Sitz von SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga.
Am ersten Sessionstag in Bern: Weihnachtskitsch. Ein Kinderchor singt im Nationalratssaal, vor der dekorierten Tanne im Foyer posiert irgendeine Garde mit federngeschmückten Helmen. Die Parlamentarier:innen eilen aufgekratzt zwischen Apéros und Auftaktsitzungen hin und her. Mitten in diesem Tohuwabohu steht einer den Journalist:innen Rede und Antwort: Bauernpräsident Markus Ritter. Ritter ist ein begehrter Gesprächspartner, denn er weiss vom ersten Hearing zu berichten, das die Bundesratskanditat:innen zu bestehen hatten: jenem bei der Konferenz der bäuerlichen Parlamentarier:innen. Und weil Ritter einer ist, der bei aller Zurückhaltung doch auch gern ein bisschen zündelt, sagt er irgendwann im Gespräch: «Wissen Sie, der Bauch spielt auch immer eine Rolle. Am Ende entscheidet auch einfach, wie sympathisch jemand ist.»
Die überzeugende Bauerntochter
Dass man Eva Herzog im Bundeshaus weniger Soft Skills zuschreibt als ihrer jurassischen Konkurrentin, ist nur ein Faktor, der ihr auf dem Weg in den Bundesrat zum Stolperstein werden könnte. Baume-Schneider setzt derzeit zu einer Charmeoffensive an, die auf zwei parlamentarische Gruppen zielt: jene der Landwirt:innen sowie jene der Vertreter:innen der sogenannten Randkantone. In der «Tribune de Genève» betonte die Bauerntochter Baume-Schneider kürzlich ihre landwirtschaftlichen Fähigkeiten, die einfache Herkunft und ihr Verständnis für die Anliegen der Regionen ohne urbanes Zentrum.
Die Landwirt:innen stellen mit über dreissig Vertreter:innen immer noch eine der grössten parlamentarischen Gruppen. An der Anhörung vom Montag löcherte die Gruppe die Kandidat:innen zu Themen wie Direktsubventionen, Wolfsschutz, Gentechnik, Raumplanung oder Pestizide. Und obwohl Bauernpräsident Ritter zum Abschneiden der beiden SP-Kandidatinnen diplomatisch sagt: «Sie haben es beide gut gemacht, sie sind beide valabel», sickert aus einigen weiteren Gesprächen eine andere Wahrheit durch – Baume-Schneider hat die Landwirt:innen stärker überzeugt.
SVP-Vertreter Alois Huber sagt, Baume-Schneider habe mit mehr Detailwissen gepunktet, sie habe mehr Zusammenhänge herstellen können. «Sie wusste etwa besser darüber Bescheid, wie die Subventionen bei den Bergbauern laufen.» Sowohl Herzog als auch Baume-Schneider sind als linke Kandidat:innen zwar in vielen Punkten wie etwa der Pestizidfrage mit der Bauernlobby uneins. Doch Baume-Schneider habe mehr Sensibilität für die Lebensumstände von Landwirt:innen gezeigt, sagt Mitte-Nationalrat Leo Müller. «Man merkte, dass sie aus einer ländlichen Region kommt. Sie bringt Verständnis für die Lebensumstände von Landwirt:innen mit, die oft von einer schwierigen Einkommenssituation geprägt sind.»
«Ein offenes Rennen»
Will Elisabeth Baume-Schneider eine Wahlchance haben, muss sie neben linken Stimmen auch viele bei der SVP und in der Mitte holen. GLP und FDP dürften sich relativ geschlossen an die wirtschaftsfreundliche Eva Herzog halten. Wie knapp es am Ende wird? – Es liegt jedenfalls mehr Spannung in der Luft als erwartet. Die SVP, die die SP-Kandidatinnen am Dienstagnachmittag anhörte, will erst kommende Woche eine Wahlempfehlung abgeben. Klar scheint bereits: Das Argument der FDP, dass vier welsche Bundesrät:innen nicht zulässig seien, verfängt bei vielen nicht. So sagt etwa der Oberwalliser Mitte-Nationalrat Philipp Bregy: «Baume-Schneider ist klar wählbar. Die Verfassung schützt die Minderheiten; wenn diese einmal eine temporäre Mehrheit bekommen, ist dies kein Problem.» Seine Partei sei nun gespannt auf die Hearings der nächsten Woche. «Für mich ist es ein offenes Rennen.»