Sachbuch: Medikamente als Service public
Bislang waren wichtige Medikamente verfügbar und finanzierbar, zumindest in der Schweiz. Doch Versorgungsengpässe häufen sich. Laut Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung gibt es solche derzeit bei 110 Arzneimitteln. Was steckt dahinter? Beat Ringger, langjähriger Geschäftsführer des sozialkritischen Thinktanks Denknetz, geht der Frage in seinem Buch «Pharma fürs Volk» in einem leicht lesbaren Überblick über die Entwicklung der Pharmaindustrie in den letzten Jahrzehnten nach. Etwa zwei Dutzend Konzerne beherrschen den Weltmarkt, zwei davon sind in der Schweiz zu Hause: Roche und Novartis.
Ringger zeigt auf, warum gewisse Medikamente heute gigantisch teuer sind. Zolgensma zum Beispiel, das neue Novartis-Medikament gegen Spinale Muskelatrophie, kostet über zwei Millionen Franken – pro Behandlung. Umgekehrt entwickelt die Pharmaindustrie keine neuen Antibiotika, weil die Profitmargen dafür zu gering sind. Dabei verlieren weltweit immer mehr der verfügbaren Antibiotika ihre Wirkung, weil bakterielle Krankheitserreger resistent geworden sind. Andere existenzielle Medikamente oder Impfungen wiederum sind nicht mehr lieferbar, weil sich ihre Herstellung für die grossen Pharmakonzerne nicht mehr lohnt. Auf dem Medikamentenmarkt kündigt sich eine Megakrise an.
Doch Ringger beschreibt nicht nur die Misere, sondern skizziert auch einen Ausweg: Die Medikamentenversorgung gehört zum Service public. Aktuell gäbe es in der Schweiz eine gute Gelegenheit, etwas in Bewegung zu setzen: Novartis möchte ihre Tochterfirma Sandoz abstossen. Diese ist eine wichtige Generikaproduzentin und weltweit die grösste Antibiotikaherstellerin. Die öffentliche Hand könnte nun die Firma übernehmen. Ein entsprechender Vorstoss von SP-Nationalrat Samuel Bendahan ist zurzeit im Parlament hängig (vgl. WOZ Nr. 46/21).
Eine gerechte Versorgung mit Medikamenten ist nötig und möglich, weltweit, nicht nur in der Schweiz. Man muss aber etwas dafür tun. Ringgers Buch zeigt, wie es gehen könnte.
Beat Ringger: «Pharma fürs Volk. Risiken und Nebenwirkungen der Pharmaindustrie». Rotpunktverlag. Zürich 2022. 232 Seiten. 32 Franken.