Service public: Angst vor dem grossen Abbau

Nr. 50 –

Öllobbyist Albert Rösti sei als Umwelt- und Verkehrsminister eine Fehlbesetzung, wird kritisiert. Doch viel mehr Schaden anrichten kann der SVP-Bundesrat bei der SRG, der Post und der SBB.

Mit Albert Rösti verantwortet jetzt ein Öl- und Autolobbyist die Klima- und Verkehrspolitik der Schweiz. Bei der Departementsverteilung sicherte sich der neu gewählte SVP-Mann das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek). Für das Klima und eine nachhaltige Verkehrspolitik ist dies eine schlechte Nachricht. Doch SP-Nationalrat Jon Pult bereitet etwas anderes noch mehr Sorgen: «Der Service public ist in Gefahr», sagt der Präsident der nationalrätlichen Verkehrskommission und der Alpeninitiative, die sich für eine nachhaltige Verkehrspolitik einsetzt. Das sieht auch seine Ratskollegin Marionna Schlatter von den Grünen so: «Über die neue Bedrohung für den Service public wurde bisher noch viel zu wenig diskutiert.»

«Toxische Konstellation»

Bei der Energie- und der Klimapolitik sei der öffentliche Druck gross, sagt Pult. «Diesen kann Rösti nicht einfach ignorieren.» Im Parlament und mit Referenden oder Initiativen könne zudem Einfluss genommen werden. Beim Service public und den staatsnahen Betrieben könne der neue Uvek-Chef viel ungestörter handeln, teilweise ganz ohne Umweg über das Parlament oder den Bundesrat. Aus der SVP wurde Rösti inzwischen bereits öffentlich aufgefordert, seinen Einfluss auf die staatsnahen Betriebe zu nutzen. Was seine Partei konkret von ihm verlangt, ist unklar. Um einen Ausbau wird es dabei aber bestimmt nicht gehen.

Die SVP sammelt Unterschriften für einen Angriff auf die SRG. Rösti ist im Initiativkomitee.

Die Gefahr für den Service public geht jedoch nicht von Albert Rösti alleine aus. Die politische Verantwortung für ausgelagerte Bundesbetriebe liegt beim Finanzdepartement und dem jeweiligen Fachdepartement. Für SBB, Post, SRG oder Swisscom sind somit die neue Finanzministerin Karin Keller-Sutter und Rösti verantwortlich. Bisher habe die abtretende SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga als Fürsprecherin des Service public ein Gegengewicht zum rechten Finanzminister Ueli Maurer gebildet, sagt Pult. Das fehle nun. Wie schon Maurer ist auch Keller-Sutter eine Verfechterin rechter Sparpolitik. Von rechts werden zudem bereits Kürzungsrunden im Bundeshaushalt gefordert. Bei solchen komme der Service public jeweils rasch unter Druck, sagt Reto Wyss vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund. Er spricht von einer «toxischen Konstellation» für den Service public. Diese kommt zur Unzeit, denn in vielen Bereichen stehen wichtige Grundsatzentscheide an.

Bei der Post brechen die Einnahmen aus dem Briefmonopol weg, mit denen bisher defizitäre Bereiche quersubventioniert werden konnten. Die Post versucht deshalb, in neue lukrative Geschäftsfelder vorzustossen. Doch das Bundesparlament hat im Frühling beschlossen, das Tätigkeitsgebiet von ausgelagerten Bundesbetrieben einzuschränken, weil diese andere Firmen konkurrenzierten.

«Erst werden die Staatsbetriebe als Unternehmen auf den Markt geschickt – nun sollen sie dort massiv eingeschränkt werden», sagt Gewerkschafter Wyss. Das sei paradox. Subventionen wären eine gute Alternative, um ohne Quersubventionierungen einen weiteren Abbau beim Poststellennetz zu verhindern. Doch solche stossen bei der bürgerlichen Seite auf grossen ideologischen Widerstand. Und so bliebe dem neuen Postminister Rösti als einzige Option, weitere Poststellenschliessungen in Kauf zu nehmen. Der Service public würde Schaden nehmen. Immerhin: Proteste würden kaum ausbleiben.

650 000 Lastwagenfahrten zusätzlich

Auch bei Güterverkehr und SBB Cargo geht es um viel. Sommaruga hat zwei Modelle für deren Weiterentwicklung in die Vernehmlassung geschickt. Eines sieht die Subventionierung des teils notorisch defizitären Güterverkehrs auf der Schiene und eine Stärkung von SBB Cargo vor. Das zweite will weitgehend auf Subventionen verzichten: Der Güterverkehr auf der Schiene würde vollständig dem Wettbewerb mit dem Strassentransport ausgesetzt, der auf dem Papier günstiger ist, aber enorme Umweltschäden und versteckte Folgekosten mit sich bringt. Über die Folgen der zweiten Variante macht sich auch der Bund keine Illusionen: Der Marktanteil der Schiene würde im Inland um ein Sechstel sinken – die Zahl der Lkw-Fahrten jährlich um 650 000 zunehmen. Sommaruga, so heisst es im Bundeshaus, habe die erste Variante klar bevorzugt. Ob das beim langjährigen Öllobbyisten auch so ist, ist fraglich.

Am schlimmsten aber könnte es für die SRG kommen, da sind sich Schlatter und Wyss einig. «Es ist zu befürchten, dass Rösti nicht nur kein Interesse an Medienförderung hat, sondern ein aktives Interesse am Abbau», sagt Schlatter. Aktuell sammeln SVP und Mitstreiter:innen Unterschriften für einen erneuten Angriff: Mit einer Initiative sollen die Radio- und Fernsehabgaben pro Haushalt von derzeit noch 335 Franken auf 200 Franken gesenkt werden. Rösti fungiert als Mitglied des Initiativkomitees. Die Befürchtung: In seiner neuen Position könnte er einen immer noch radikalen Gegenvorschlag einbringen, diesen aber als «gutschweizerischen Kompromiss» verkaufen und ihm so zur Mehrheit verhelfen. Das Medienangebot würde weiter ausgedünnt und die kritische Öffentlichkeit zurückgebunden.