Adolfo Kaminsky (1925–2023): Der Meisterfälscher und sein Jahrhundertleben

Nr. 3 –

In einer Färberei hatte er gelernt, wie man auch hartnäckigste Flecken zum Verschwinden bringt. Mit Büchern vom Flohmarkt und einem vom Mund abgesparten Chemieset aus der Apotheke bildete er sich selbst zum Chemiker aus.

Bereits als Achtzehnjähriger wurde Alfonso Kaminsky 1943 in Paris von der Résistance rekrutiert, nachdem er und seine jüdische Familie nur dank ihrer argentinischen Staatsbürgerschaft aus dem Durchgangslager Drancy entkommen waren. Seine in Hinterzimmern hergestellten Pässe halfen der Résistance – und retteten Tausende von Jüdinnen und Juden vor Deportation und Vernichtung. Es begann damit, dass er mit seinem Färberwissen die Tintenschrift aus alten Pässen löschte und sie neu ausfüllte. Er schöpfte aber auch selber Papier und Karton und stellte Pässe und andere Ausweispapiere von Grund auf neu her, fälschte Stempel, liess Papier mit raffinierten Verfahren gebraucht erscheinen.

Nach dem Weltkrieg nahm Kaminsky kein Geld mehr für seine meisterhaften Fälschungen – um unabhängig zu bleiben, um jeden Auftrag auch ablehnen zu können, wenn er nicht seinen Prinzipien entsprach. Er lieferte nur Papiere für Menschen, die wegen ihres Kampfs für die gerechte Sache in Gefahr waren: etwa für den jüdischen Kampf – Seite an Seite mit den arabischen Beduinen – gegen die britische Kolonialverwaltung in Palästina, die Holocaustüberlebenden die Einreise verweigerte; für die Befreiungsfront im algerischen Unabhängigkeitskrieg; für den Widerstand gegen den Franco-Faschismus in Spanien und gegen die Apartheid in Südafrika.

Einmal druckte er monatelang Hundert-Franc-Noten für die algerische Befreiungsfront. Als er im Radio hörte, dass Algerien unabhängig sei, verbrannte er das Vermögen in einem Erdloch im Garten. Um nicht aufzufallen, verdiente er sein Geld offiziell als Fotograf. Wieso wir das alles überhaupt wissen? Vor allem deshalb, weil eine von Kaminskys Töchtern ihn und ein paar seiner Weggefährten in langen Gesprächen zu seinem Leben im Untergrund befragt hat. Das Resultat ist 2009 als Biografie erschienen, in der man viel Eindrückliches erfährt (siehe WOZ Nrn. 51+52/11). Etwa von Kaminskys Überzeugung, dass Freiheit auch bedeuten kann, eben gerade keine Wahl zu haben, etwas schlicht tun zu müssen, auch wider das Gesetz. Am 9. Januar ist er 97-jährig in Paris gestorben.

«Ein Fälscherleben», Sarah Kaminskys Buch über ihren Vater, ist auf Deutsch leider vergriffen.