Kantonale Wahlen: Alles so schön stabil hier
«Mario Fehr bleibt Mario Fehr»: Das Wahlplakat nahm den Stillstand bei den Zürcher Wahlen vorweg. Die bisherigen Regierungsrät:innen wurden am Sonntag alle wiedergewählt, der Angriff von SP-Frau Priska Seiler Graf scheiterte. Auch bei den Parlamentswahlen gab es nur minimale Verschiebungen, gerade einmal 6 von 180 Sitzen wechselten zwischen den Parteien. Heimliche Siegerin ist die SP: Sie blieb stabil und legte sogar einen Sitz zu. All die medialen Analysen zum Abwärtstrend der Partei und zu ihrem Leitungsduo mussten für einmal in der Schublade bleiben. Stattdessen stehen die Grünen im Fokus: Sie verloren etwas, vor allem an die Coronaleugner:innen. Auch die Alternative Liste erlitt einen Dämpfer. Immerhin: Die sogenannte Klimaallianz im Kantonsparlament verfügt weiterhin über eine knappe Mehrheit.
Bei den gleichzeitig stattfindenden Wahlen in Baselland verloren SP und Grüne leicht. Für die eidgenössischen Wahlen stimmt insbesondere das Resultat aus Zürich, das jeweils als Gradmesser für die Stimmung im Herbst gilt, beschränkt optimistisch. Das linke Lager dürfte den Zuwachs aus der Klima- und Frauenwahl von 2019 wenigstens halten. Doch kann es sich angesichts der Herausforderungen wie der Klimaerwärmung, der Ungleichheit und des demokratischen Ausschlusses eines Viertels der Bevölkerung von der Mitbestimmung einen solchen Stillstand leisten?
Zumindest eine Veränderung zeichnete sich in den letzten Monaten in der Schweizer Politik ab: Die inhaltliche Debatte ist zurück. Die FDP prägt die Diskussion mit ihrer Forderung nach Sicherheit in allen Lebensbereichen. Die SVP setzt, mit gütiger Unterstützung der Konzernmedien, alle ihre Reizthemen, von der Zuwanderung bis zum angeblich grassierenden «Genderwahn». Die SP hält immerhin mit der Stärkung der Kaufkraft dagegen, die Grünen wirken gerade etwas ratlos.
Wenn die Schweiz am 22. Oktober nicht bloss ihre neue, alte Mitte finden soll, braucht es deshalb mehr als Videoclips und Anrufe. Vor allem sind jetzt clevere programmatische Ideen von Rot-Grün gefragt.