Von oben herab: In Zürich stand ein Warenhaus

Nr. 7 –

Stefan Gärtner lädt zum Mitschunkeln* ein

Da, wo die blaue Limmat fliesst
Wo man sich noch mit «Grüezi!» grüsst
Liegt eine schöne Schweizer Stadt
Die ihresgleichen nicht hat
Wenig ist billig, teuer viel
Umsatzrendite heisst das Ziel
Fleissig sind alle, Tag für Tag
So, wie die Wirtschaft es mag

In Zürich stand ein Warenhaus
Eins, zwei, Ende
Wird nun ’ne Immobilie draus
Eins, zwei, Ende
Da hat so mancher brave Mann
Eins, zwei, Ende
Gezeigt, wie viel er kaufen kann
Schon früh am Morgen fing er an
Und spät am Abend kam er nach Haus
So schön wars im Warenhaus!

Da gab es Marken, Uhren, Crème
Alles war schön und angenehm
Doch an der Kasse kam der Schreck:
So viele Franken sind weg!
Aber zu leben, kostet Geld
Zürich ist eine Stadt von Welt
Kaufhaus Jelmoli, Store-in-Store:
Sag, wie sonst stellst dus dir vor?

In Zürich stand ein Warenhaus
Eins, zwei, Ende
Doch Warenhäuser müssen raus
Eins, zwei, Ende
Weil man sie gut verkaufen kann
Eins, zwei, Ende
Die Spekulanten sind schon dran
Und machen jetzt was andres draus
Komm, freu dich und kauf zu Haus!

Vorher wars doof, und jetzt stehts leer
Freuen kann sich da niemand mehr
Dabei ist kaufen doch so schön
Durchaus auch chemisch gesehn:
Oben im Kopf fliesst Dopamin
Wirkt auf mich grade wie Benzin
Habe ich neuen Kram im Schrank
Was kümmert mich dann die Bank?

In Zürich stand ein Warenhaus
Eins, zwei, Ende
Der Antifa ein stiller Graus
Eins, zwei, Ende
Weil es nicht sozialistisch war
Eins, zwei, Ende
Denn gute Waren waren da
Und nicht gerade wieder aus
Echt klasse, so ’n Warenhaus!

Nein, diese Mieten überall
Bringen die Menschen glatt zu Fall
Kriegt der Besitz den Hals nicht voll
Rutschen andre ins Soll
Warenhausmieten sind fünf Prozent
Von dem, was man den Umsatz nennt
Doch bei Jelmoli warns mehr als zehn –
Wirtschaft, man muss das verstehn!

In Zürich stand ein Warenhaus
Eins, zwei, Ende
Wenn dus nicht kaufen kannst, dann klaus
Eins, zwei, Ende
Mit Buchungs- und verwandten Tricks
Eins, zwei, Ende
Siehst du es einmal kühlen Blicks
Dann gehts um Geld, ganz leicht verdient
So sich nur jemand erkühnt

Ach, wie gern kaufe ich gebraucht
Weil mich die ganze Scheisse schlaucht
Smartphone raus und Kram bestellt
Billig, was kostet die Welt!
Doch was gebraucht war, war mal neu
Was heute billig ist, mal teu-
er und lag mal im Warenhaus –
Aus der Nummer kommst du nicht raus

In Zürich stand ein Warenhaus
Eins, zwei, Ende
Jetzt regnet es verdrossne Ciaos
Eins, zwei, Ende
Besiegelt wird die Tradition
Eins, zwei, Ende
Man kauft heut mit dem Telefon
Das geht ganz schnell, und wers dann bringt
Dem bringt das was nur bedingt

*Vgl. Youtube, «In München steht ein Hofbräuhaus».

Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er jede zweite Woche das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.