Literatur: Lieblings­schwule und Katzenbäume

Nr. 11 –

Buchcover von «Rosa Buch. Queere Texte von Herzen»
Anna Rosenwasser: «Rosa Buch. Queere Texte von Herzen». Rotpunktverlag. Zürich 2023. 240 Seiten. 30 Franken. Lesungen und weitere Termine: www.annarosenwasser.ch.

Den Moment, in dem Anna Rosenwasser mit ihrer Mutter zum ersten Mal davon sprach, sich von einer Frau angezogen zu fühlen, beschreibt sie als «Letting-in»: «Ich liess mein Mami also rein in diese Information, dass ich bisexuell bin, ich liess sie drin spazieren gehen wie eine Museumsbesucherin.» Auch uns lässt sie über die ersten rosafarbenen Seiten in einen queeren Alltag hinaus eintreten.

Die LGBTQ-Aktivistin verhandelt in ihrer Textsammlung, die in Zusammenarbeit mit dem St. Galler Kulturmagazin «Saiten» entstanden ist, Vorurteile über Sex zwischen Frauen – «Ist doch nur Petting» –, erzählt von Queers in Schweizer Kleinstädten oder davon, wie sie vor Schulklassen über Analsex spricht. Rosenwasser feiert die zwischenmenschliche Anziehung und fordert nicht weniger als die Enttabuisierung aller Sexualitäten. Die Texte wurden zwischen 2018 und 2022 in unterschiedlichen Publikationen veröffentlicht, im Buch sind sie chronologisch geordnet. So müssen wir sie aber nicht lesen: Von Überschrift zu Überschrift hangeln, das Bauchgefühl entscheiden lassen oder nach Stichworten durch das Buch flanieren, die sich im rosaroten Verzeichnis in der Mitte befinden, geht genauso.

Freddie Mercury ist dort zweimal aufgeführt. Und das nicht, weil die Autorin die Band Queen mag: «Liegt wohl daran, dass ich fast nur in den Gay-Ausgang gehe, und alle zwei Stunden lässt irgendwer ­‹Bohemian Rhapsody› laufen, und der Tanztakt ist im Arsch», sondern weil «von der Berufsschwuchtel über die Szenenlesbe bis zum Vorzeigehetero» sich alle einig seien: «Freddy Mercury, das ist unser Lieblingsschwuler, den mögen wir, der darf das.» Als wäre die sexuelle Orientierung eines Menschen «Verhandlungssache», ironisiert Rosenwasser und stellt klar: Mercury war nicht schwul, er war bi.

Kostbar ist sie, Anna Rosenwassers Eintrittskarte ins «Rosa Buch», das sich an «queere Menschen und ihre Mitmenschen» richtet. Mit «Texten von Herzen» ist es ihr gelungen, ein humorvolles und doch auch zutiefst kämpferisches feministisches Werk zu schreiben. Und mit seiner ästhetischen Aufmachung ist das Buch ein Hingucker, etwa durch eine Bildstrecke von Katzenbäumen: Die Aktivistin nennt ihre Follower:innen nämlich auch «Büsi», und «Büsi» brauchen Spielwiesen, die so variabel sind wie sie selbst.