Kino: Das Bett in Flammen

Nr. 12 –

Filmstill aus «Tchaikovsky’s Wife»: eine Braut auf einer Pferdekutsche
«Tchaikovsky’s Wife». Regie und Drehbuch: Kirill Serebrennikow. Russland/Frankreich/Schweiz 2022. Jetzt im Kino.

Die Warnung kommt viel zu spät: «Wer die Sonne heiratet, riskiert Verbrennungen.» Ihr Mann sei ein Genie, und solchen sei bekanntlich alles erlaubt. Antonina Iwanowna widerspricht heftig, was an den Tatsachen aber nichts ändert.

Dass die Ehe zwischen Pjotr Iljitsch Tschaikowski und seiner Frau Antonina grandios scheiterte, ist bekannt. Die Homosexualität des Komponisten des «Schwanensees» ist einigermassen sicher verbürgt, während die Gerüchte über die an Wahnsinn grenzende Obsession seiner jüngeren Frau zumindest teilweise dem Geist der damaligen (und fast jeder folgenden) Zeit zugeschrieben werden können.

Kirill Serebrennikow geht es in «Tchaikovsky’s Wife» kaum darum, diese «Witwe eines lebendigen Ehemanns» zu rehabilitieren. Das soll aber nicht heissen, dass er Position für den Komponisten bezieht, der hier grösstenteils in der Peripherie bleibt. Falls sie sich mit der «stillen, ruhigen Liebe wie jener eines Bruders» zufriedengeben könne, heirate er sie (samt grosszügiger Mitgift) gerne: So gibt Pjotr (distanziert: Odin Lund Biron) dem ungestümen, von heiliger Liebe erfüllten Begehren seiner Verehrerin Antonina (intensiv: Alyona Mikhailova) nach – nur um sie nach zweieinhalb Monaten in jedem praktischen Sinn wieder zu verlassen. Der Annäherungsversuche seiner Frau weiss er sich schliesslich nur noch zu erwehren, indem er sein eigenes Bett in Flammen setzt.

Auch wenn der Film nie ganz die phänomenal historisch-immersive Qualität etwa von László Nemes’ «Sunset» erreicht: «Tchaikovsky’s Wife» übernimmt die beinahe phantasmagorische Perspektive seiner Protagonistin so vollkommen, dass das Ergebnis fast nichts mehr mit einem gemächlich musikalischen Kostümdrama zu tun hat. Gewisse Kritiker:innen wollten im neuen Werk des lange inhaftierten, jetzt exilierten Serebrennikow ein billiges Propagandastück erkennen, in dem die obsessive Besessenheit einer ganzen Nation gespiegelt werden soll. Das ist erstens schon fast unsinnig vereinfacht und zweitens auch nicht unbedingt ein Problem.