CS-Debakel: Autoritäre Anwandlungen

Nr. 16 –

Die je nach Perspektive gute oder schlechte Nachricht vorneweg: Ueli Maurer ist wieder da. Nach dem Untergang der Credit Suisse hatte man vom früheren SVP-Finanzminister nichts mehr gehört und nichts mehr gesehen. War er zusammen mit den AT1-Obligationen abgewickelt worden, oder hatte es ihm schlicht die Sprache verschlagen? Nun scheint er diese jedenfalls wiedergefunden zu haben. Gefragt nach seinem Versagen, blaffte Maurer am Rand einer Zürcher Festivität, wer «so blöde Fragen stellt und solche Kritik anbringt», komme hinten und vorne nicht «draus». Keine Einsicht, keine Rechenschaft, noch nicht einmal leise Selbstzweifel. Das passt ins Bild.

Ein Eindruck verfestigt sich, seit der Bundesrat die Credit Suisse an einem Wochenende im März vor dem Kollaps bewahrte und der UBS überschrieb: Die Schweiz befindet sich in einer tiefen institutionellen Krise. Mit Verantwortungsträgern wie Ueli Maurer, die jede Verantwortung wegstossen. Mit Kontrollinstanzen, die nie kontrolliert haben. Mit einem politischen System, das den Wirkweisen des Finanzmarkts ausgeliefert ist.

Die ausserordentliche Session, die vergangene Woche stattfand, bestärkt diesen traurigen Befund. Das Fanal zu einem besser regulierten Finanzplatz war sie erwartungsgemäss nicht. Aber sie brachte auch keine Rückgabe der demokratischen Macht ans Parlament, obwohl das nach der auf hastig geschriebenen Verordnungen und Notrecht gestützten Bankenrettung dringend notwendig gewesen wäre. Schuld daran ist letztlich die bürgerliche Mehrheit selber, die alle verbindlichen Forderungen ablehnte oder vertagte.

Nur einmal wich das Parlament dank Grünen, SP und SVP von der Regierungslinie ab: als es die 109-Milliarden-Franken-Garantien des Bundes an die UBS ablehnte, weil Finanzministerin Karin Keller-Sutter (FDP) zu keinen Auflagen an die UBS bereit war. Doch Keller-Sutter erklärte diesen Entscheid kurzerhand und im Widerspruch zu einer Reihe von Staatsrechtlern für folgenlos; die Vereinbarung sei bereits rechtsgültig. Ob je eine Klärung der Rechtslage erfolgt, ist völlig offen. Fest steht alleine, dass der Bundesrat ungeachtet aller parlamentarischen Stopprufe durchregiert.

Das ist eine alarmierende Entwicklung. Bankenpolitik ist im Schadensfall offenbar nicht ohne autoritäre Anwandlungen möglich. Immer mit dem Argument, man dürfe die Finanzmärkte nicht in Unruhe versetzen und den eigenen Grossbanken nicht in die Quere kommen. Doch selbst eine Politik, die sich vornehmlich an den Erwartungen und den Bedürfnissen der Märkte orientiert, bedarf einer demokratischen Legitimation. Sonst wird es sehr schnell sehr heikel. Die ausserordentliche Session hat diese nicht geliefert.

Deswegen braucht es nun unweigerlich eine parlamentarische Untersuchungskommission, eine PUK. Eine solche hat in der Vergangenheit den Fichenskandal aufgeklärt und so den Überwachungsstaat freigelegt. Eine solche hat auch die Geheimarmee P-26 untersucht und antidemokratische Strukturen im Kalten Krieg ausgeleuchtet. Eine solche muss nun die Durchdringung der wichtigsten politischen Institutionen der Schweiz durch den Finanzmarkt untersuchen.

Sie muss aufzeigen, wie das Parlament an die Seitenlinie gedrängt wurde, wie in geheimen Gremien und unter unbekannten Bedingungen die Rettung der Credit Suisse vorbereitet und durchgezogen wurde. Sie muss der Politik der Eingeweihten ein Ende machen und alles ans Licht bringen, was aus Rücksicht auf die Finanzmärkte und deren Für­­­­­sprecher:innen im Verborgenen ist. Liegt alles auf dem Tisch, kann die Regulierung der Banken an die Hand genommen werden, kann vor allem die Wiederherstellung der politischen Ordnung erfolgen und könnte die Machtfülle des Notrechts begrenzt werden.

Anfang Mai, also schon bald, fällt zu einer möglichen PUK der Entscheid im Büro des Ständerats. Jüngste Wortmeldungen vor allem aus der notorisch unzuverlässigen Mitte-Partei geben wenig Hoffnung, dass der Wille zur Aufklärung und zum Neuanfang besteht. Doch nur eine PUK kann die Schweiz aus der institutionellen Krise heben, in die sie ihre Finanzmarktpolitik geführt hat.