Durch den Monat mit Onno Poppinga (Teil 1): Finden Sie Bauernproteste mit grossen Maschinen gut?

Nr. 14 –

Die Landwirtschaft sei noch gar nicht in der Marktwirtschaft angekommen, sagt der Ostfriese Onno Poppinga. Auf einem Hof aufzuwachsen, war für ihn ein grosses Glück – auch weil es keine Schläge gab.

Portraitfoto von Onno Poppinga
Onno Poppinga: «Es ist leider der falsche Ansatz, sich in die Technik zu flüchten, weil man damit Macht hat.»

WOZ: Onno Poppinga, Sie sind Mitgründer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) in Deutschland, die die Branche umwelt- und sozialverträglich machen will. Wie will sie das anstellen?

Onno Poppinga: Ganz wichtig ist für uns: Wir dürfen uns nicht in einem Markt verlieren, wo andere alleine entscheiden, welche Preise wir für unsere Produkte bekommen. Heute liefern die Landwirte einfach ihre Erzeugnisse ab, und hinterher bestimmt jemand, was sie dafür kriegen. Wie wenn Arbeiter in die Fabrik gehen würden, ohne einen Arbeitsvertrag zu haben, und am Monatsende würde ihnen der Unternehmer gnädig überweisen, was er gerade angemessen findet. Der Europäische Rechnungshof schreibt, die Landwirtschaft sei in der Situation des «Preisnehmers». Wenn sie den Preis nur hinnehmen muss, dann muss man sagen, sie ist in der Marktwirtschaft noch gar nicht angekommen. Sie steht erst vor der Tür. Das geht überhaupt nicht. Das ist auch keine besonders linke Forderung, sondern sollte einem marktwirtschaftlichen Grundverständnis entsprechen.

Hat die AbL in dieser Sache schon etwas erreicht?

Bei den Milcherzeugern ist der Bund Deutscher Milchviehhalter sehr einflussreich geworden, da arbeiten auch viele von der AbL mit. Er fordert, dass auch für die Landwirtschaft gilt: Bevor man die Produkte in Molkerei und Schlachthof abliefert, werden die Menge und die Preise vertraglich festgelegt. Das wird jetzt politisch angegangen.

Worum geht es der AbL sonst noch?

Uns ist wichtig, dass die Arbeit der Landwirte, ihre Lebensweise, ihre kulturelle Tätigkeit wertgeschätzt werden. Der Anteil der bäuerlichen Bevölkerung ist sehr klein geworden. Trotzdem schaffen sie es immer wieder, sich durch Aktionen auf der Strasse wie auch über die Medien Gehör zu verschaffen. Es gibt viel Kritik an der Landwirtschaft wegen negativer Umweltwirkungen. Dafür gibt es auch gute Gründe. Das Problem ist nur, dass sie für etwas kritisiert wird, was die Gesellschaft viele Jahre gefordert hat: Intensivierung und Wachstum. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass für manche Landwirte der technische Aspekt ihres Berufs im Mittelpunkt steht, auch weil das gefühlt mit Stärke einherzugehen scheint.

Die Maschinen?

Ja. Wenn sie mit einem 180-PS-Schlepper durch die Stadt fahren, für eine Demo zum Beispiel, sitzen sie fast zwei Meter über allen anderen und haben vielleicht noch hundert Kollegen auf Traktoren hinter sich. Vor vielen Jahren, als die Bundesregierung noch in Bonn sass, gab es eine grosse Demonstration wegen der Getreidepreise. Die Bauern haben ihre Frontlader mitgebracht. Da waren die Polizisten plötzlich bereit, mit ihnen zu reden! Die schauten nur auf die Frontlader und wussten, damit können die Demonstranten jeden Zaun umschmeissen.

Fanden Sie das gut?

Es hat mich schon gefreut, dass diese arroganten Polizisten plötzlich das Fracksausen gekriegt haben … Aber es ist leider der falsche Ansatz, sich in die Technik zu flüchten, weil man damit Macht hat.

Was ist das Fazit Ihrer Arbeit mit der AbL?

Dass man auf der politischen Ebene schon ziemlich frustriert werden kann. Damit muss man umzugehen lernen, und dafür ist der eigene Betrieb ganz wichtig. Da passiert viel Positives! Es gibt viele neugierige Landwirte, die auch bei schwierigen Bedingungen gute Antworten finden. Das ist ein altes Motto der AbL: Selbsthilfe und Widerstand. Selbsthilfe, das sind die Arbeitsbeziehungen untereinander, die gegenseitige Unterstützung. Das hält einen auch psychisch gesund. Und die Vernetzung: Wir sind beim Agrarbündnis dabei, dazu gehören auch Naturschutz- und Verbraucherverbände. Natürlich gibt es da Konfliktbereiche, aber wir haben auch vieles gemeinsam. Über den eigenen Tellerrand hinauszugucken, ist ganz wichtig.

Sie sind selbst auf einem Hof aufgewachsen. Haben Sie gerne mitgeholfen?

Ja. Sehr gern. Die Eltern haben das auch geschickt gemacht. Ich war zwölf oder dreizehn und wollte Zeit mit meiner Mutter. Sie sagte: «Ich kann jetzt nicht, aber wenn du mir melken hilfst, geht es schneller.» Und zufällig stand da auch ein kleiner Eimer, ein kleiner Melkhocker, und sie gab mir eine Kuh, die man gut melken konnte. So habe ich es gelernt. Mit sechzehn war ich dann für das Melken verantwortlich. Das ist natürlich eine Riesenmaloche, vor der Schule um fünf Uhr aufstehen und achtzehn Kühe melken, aber ich durfte dafür auch die Zuchtbücher führen. Du hast gemerkt, der Betrieb braucht dich. Und das ist toll! Ich hatte auch Freunde, die nicht gern halfen, aber ich sah es nie als Nachteil. Ich hatte das beste Elternhaus der Welt. Stellen Sie sich vor, bei unseren Eltern gab es beispielsweise nie Schläge.

Damals eine Ausnahme?

Ja. Auch in der Schule haben die Lehrer die Schüler geprügelt. Es gab in meiner Familie natürlich Formen der Disziplinierung, wenn wir etwas ausgefressen hatten. Aber keine körperliche Züchtigung.

Onno Poppinga (79) ist Agrarwissenschaftler und stammt aus Ostfriesland. Bis zu seiner Pensionierung 2009 war er Professor für Agrarpolitik an der Universität Kassel, Standort Witzenhausen.