Queer im Wallis: Eine Bombe in allen Farben des Regenbogens
Luna Sophia Fux stösst als trans Mensch in ihrem Heimatkanton Wallis oft auf Ablehnung. Wie Fux auf Queerhass, den die SVP schürt, antwortet? Mit einem Kulturfestival.
Es war der 27. Januar dieses Jahres, als die SVP den Kampf gegen den «Gender-Terror» ausrief. In ihrem neuen Programm widmete die Partei dem Thema ein eigenes Kapitel. Programmchefin Esther Friedli durfte den Kulturkampf, in dem sich die SVP wähnt, gleichentags mit einem langen Interview in den Tamedia-Zeitungen eröffnen, in dem sie vor einer «religiös-fanatischen» «Woke-Kultur» warnte.
An diesem Tag entschliesst sich Luna Sophia Fux, dem Vokabular der SVP etwas entgegenzusetzen. Fux ist agender. «Ich bin einfach ich, weder männlich noch weiblich, und ich will und kann nichts anderes sein als mich selber.» Fux, neunzehnjährig, benutzt für sich das Pronomen «xie».
Zusammen mit Kolleg:innen entschied Fux, den von der SVP ausgerufenen Kampf gegen den angeblichen Genderterror mit einer «Bombe» zu bekämpfen. Flugs war die Idee eines Kulturfests gegen Queerfeindlichkeit und Diskriminierung geboren, das nun dieses Wochenende in Brig-Glis stattfindet: die «Regenbogenbombe».
Der rechte Kulturkrieg der SVP zielt auch auf die Schulen ab: Die Partei warnt vor angeblichen Einflussversuchen der trans Community auf Kinder und Jugendliche. Dabei zeigt die Geschichte von Fux, dass mehr Aufklärung dringend nötig wäre. Aufgewachsen in einem kleinen Dorf in einem Oberwalliser Seitental, hatte xie Mühe, sich selber zu finden. Lux hat sich schon immer eher feminin gekleidet. «Bis 2020 wusste ich aber nicht einmal, dass trans Personen existieren.»
Die erfahrene Gewalt
Während im damaligen Frühling das ganze Land aufgrund der Pandemie mehr oder weniger stillsteht, beginnt Fux, sich im Internet zu informieren. «Mitte 2020 habe ich aufgrund von Recherchen gemerkt, dass ich trans bin», erzählt xie. «Es wird nicht darüber informiert, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt. Das hätte mir geholfen. Ich wäre wahnsinnig froh gewesen, hätte ich nicht eine männliche Pubertät durchleben müssen, sondern hätte Hormonblocker nehmen können.»
Die Familie nahm das Coming-out gut auf. Schwieriger war das gesellschaftliche Umfeld. «Das Wallis ist eng, konservativ. Sobald du ein bisschen schräg oder auffällig bist, bekommst du ein Problem.» Fux erzählt von schmerzhaften Erlebnissen. «Einmal ging eine Gruppe Jugendlicher in Brig auf mich los. Seit diesem Ereignis verlasse ich das Haus nicht mehr ohne Pfefferspray.»
Die Gewalt gegen queere Personen nimmt in der Schweiz zu, angestachelt von rechten bis rechtsextremen Gruppen und Parteien. Vorbild sind die USA, wo in einigen Bundesstaaten Hormontherapien bereits heute verboten sind. In weiteren Staaten und auch anderen Ländern gibt es entsprechende politische Bestrebungen. «Dabei entscheidet sich keine einzige trans Person dazu, trans zu sein», sagt Fux und spricht die psychischen Probleme und Suizidversuche an, von denen queere Menschen überdurchschnittlich oft betroffen sind. Eine 2020 veröffentlichte Studie zeigt, dass 82 Prozent der befragten trans Personen bereits über Selbstmord nachgedacht und gar 40 Prozent einen Suizidversuch unternommen haben. Dabei sei nicht das Transsein an sich der Grund dafür, betont Fux. Der Grund seien die Ablehnung, der Hass und die Diskriminierung, die erduldet werden müssten.
Treff im Plattuladu
Wegen der gesellschaftlichen Ablehnung hat Fux dem Wallis inzwischen den Rücken gekehrt, xie wohnt heute in Bern und betätigt sich als Künstler:in. Ganz aufgegeben hat Lux den Heimatkanton aber nicht. Im Januar eröffnete xie zusammen mit dem rund fünfzig Jahre älteren, selbsternannten Kulturkämpfer Jean-Pierre D’Alpaos in der Briger Innenstadt den Plattuladu 2. Es ist eine Art Wiedergeburt jenes Plattenladens, den D’Alpaos bis 2010 betrieben hatte – über Jahre eine Oberwalliser Institution, in der mehrere Generationen ihre CDs und Vinylplatten eingekauft hatten.
Neben dem Verkauf von Platten, CDs und Büchern soll der Plattuladu 2 auch ein queerer Treffpunkt sein. «Ich habe in den fünf Monaten, seit der Laden existiert, mehr queere Personen aus dem Wallis kennengelernt als in den achtzehn Jahren davor», sagt Fux. Inmitten von Musik und Büchern fühlt xie sich wohl. «Musik hat mir schon mehr als einmal das Leben gerettet.»
Neben der Unterhaltung und den Konzerten soll das bevorstehende Festival auch der Aufklärung dienen. «Für viele Menschen ist queer oder trans immer noch ein abstraktes Konzept, unter dem sie sich nichts vorstellen können, weil sie niemanden kennen», sagt Fux. Entsprechend wichtig sei es, dass Menschen mit dem Thema in Kontakt kämen, die das sonst nicht würden. Nicht zuletzt sollten alle am Fest eine gute Zeit zusammen verbringen, sagt Fux, egal ob queer oder cis. Das bringe letztlich hoffentlich am meisten, um dem Hass der SVP etwas entgegenzusetzen.
Der Anlass «Regenbogenbombe – Genderterror Kulturfest gegen Queerfeindlichkeit und Diskriminierung» findet am Samstag, 20. Mai 2023, im Zeughaus Kultur in Brig-Glis statt. Eintritt frei. Kollekte zuhanden des Vereins Queer Wallis. Programm: www.zeughauskultur.ch.