Literatur: Liebe wie eine Achterbahn
Pikis neue Freundin liegt nackt auf dem Sofa, als plötzlich die Ex die Wohnung betritt. Die Szene könnte Piki peinlich sein und zu einer Entschuldigung anregen. Sie aber tut ihrer aktuellen Freundin gegenüber so, als sei nichts Besonderes vorgefallen – einer von vielen Momenten im Roman «Baby Jane», in denen zwei völlig divergierende Wahrnehmungen aufeinanderprallen.
Die finnische Autorin Sofi Oksanen vermittelt in «Baby Jane» eine Vorstellung davon, was es heisst, in einer Beziehung zu sein mit jemandem wie Piki, die gleichermassen extrovertiert wie instabil ist. Oksanen schildert diese Achterbahnfahrt aus der Perspektive von Pikis Freundin, die als Ich-Erzählerin in Erscheinung tritt und sich zunächst blenden lässt von Pikis Charisma, ihrem punkigen Äusseren und ihrem Ruf als coolste Lesbe Helsinkis. Sie bewundert Pikis ausgefallene Ideen und glaubt ihren Zukunftsversprechungen, das Leben fühlt sich unbeschwert und aufregend an. Erst mit der Zeit hinterfragt sie Pikis unberechenbares, verletzendes Verhalten. Die fortdauernde Abhängigkeit von der Exfreundin, die mit Pikis Einkäufen in der Wohnung auftaucht, ist nur eines von Pikis Problemen – die diese jedoch hartnäckig leugnet.
Die bedingungslose Bewunderung der Erzählerin wendet sich mit der Zeit in den längst nicht mehr von romantischen Gefühlen geleiteten Versuch, bloss nichts falsch zu machen. Bis sie schliesslich nach der Trennung Pikis tiefste Abgründe kennenlernt – und trotzdem kommt auch sie innerlich nicht von ihr los: In der Wohnung ihres neuen Partners sitzt sie tagelang in der Badewanne und hängt ihren Erinnerungen nach.
Das Buch lebt von hervorragend erzählten, oft auch witzigen Begebenheiten, die in ein Drama münden, das unerwartet kommt. Darin verdeutlichen sich die Gebrochenheit der präzise charakterisierten Hauptfiguren und deren ungesunde Verstrickung in diesem dichten, von einem dunklen Grundton geprägten Roman.